Next Gen Interview: »Flug durch den Ventilator«

Wie sah dein Weg ins Familienunternehmen aus?

ALEX­AN­DER WOTT­RICH: Mit mei­nem Ent­schluss, Ma­schi­nen­bau zu stu­die­ren, war für mich klar, dass ich mei­ne Aus­bil­dung so aus­rich­ten woll­te, dass ein ope­ra­ti­ver Ein­stieg ins Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men mög­lich sein wür­de. So habe ich mich an­schlie­ßend zu­sätz­lich auch für den Exe­cu­ti­ve Mas­ter in Fa­mi­ly En­tre­pre­neurship an der Zep­pe­lin Uni­ver­si­tät ent­schie­den, Aus­lands­prak­ti­ka ge­macht und für mei­ne ers­te be­ruf­li­che Sta­ti­on mit Hil­ti ein nam­haf­tes Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ge­wählt. Zu dem Zeit­punkt war noch nicht klar, ob ich die Nach­fol­ge an­tre­ten wür­de. Aber dazu ge­hö­ren ja auch zwei Din­ge: die Be­fä­hi­gung und der Wil­le. Die Fä­hig­kei­ten habe ich mir Schritt für Schritt an­ge­eig­net.

Was hast du aus deiner Zeit bei Hilti mitgenommen?
Ich habe als Ent­wick­lungs­in­ge­nieur an­ge­fan­gen und war dann spä­ter tech­ni­scher Pro­jekt­lei­ter. Ins­ge­samt wa­ren die vier Jah­re bei Hil­ti enorm wert­voll. Hil­ti hat eine sehr star­ke Mar­ke und eine tol­le Kul­tur. Die Mit­ar­bei­ter sind enorm stolz auf das Un­ter­neh­men und freu­en sich, Din­ge vor­an­brin­gen zu dür­fen. Die­se Kul­tur be­ein­druckt mich bis heu­te. Ich habe dort ins­be­son­de­re viel über Pro­jekt­ma­nage­ment – eine Schlüs­sel­funk­ti­on im Un­ter­neh­men – und über Füh­rung ge­lernt. Da­von habe ich z.B. ganz kon­kret die­sen Som­mer pro­fi­tiert, als wir un­se­re neu auf­ge­setz­te Vi­si­on und Stra­te­gie bei Truma aus­ge­rollt ha­ben. Ich wuss­te, wie sehr es jetzt dar­auf an­kam, die Men­schen für die neue Stra­te­gie zu ge­win­nen.

Wie hat deine Zeit bei Hilti dein Führungsverständnis geprägt?
Ich habe ver­schie­de­ne Füh­rungs­kräf­te ken­nen­ge­lernt, die mir ein sehr brei­tes Spek­trum von Füh­rungs­an­sät­zen ver­mit­telt ha­ben. Au­ßer­dem ver­dan­ke ich mei­ner Hil­ti-Zeit, dass ich heu­te ganz gut ver­ste­hen kann, wie Ma­nage­men­tent­schei­dun­gen, Stra­te­gie­ver­än­de­run­gen oder auch Um­struk­tu­rie­run­gen beim Mit­ar­bei­ter an­kom­men und  wahr­ge­nom­men wer­den. Die­se an­de­re Per­spek­ti­ve zu ken­nen ist enorm hilf­reich für mei­ne Auf­ga­be im ei­ge­nen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men.

Zur Nach­fol­ge ge­hö­ren zwei Din­ge: die Be­fä­hi­gung und der Wil­le

Die Truma Combi Heizung

Wie schwierig war es, sich als junger Nachfolger die notwendige Autorität zu verschaffen?
In den zwei Jah­ren als Ge­schäfts­füh­rer der Hol­ding war das manch­mal schwie­rig – auch be­dingt durch die nicht ganz kla­re Rol­len­ver­tei­lung. Als ope­ra­ti­ver Ge­schäfts­füh­rer ist es ein­fa­cher. Ich hat­te si­cher­lich ei­nen Ver­trau­ens­vor­schuss von vie­len Mit­ar­bei­tern, konn­te aber, den­ke ich, in den letz­ten Mo­na­ten auch zei­gen, dass ich et­was kann, und habe da­mit den ein oder an­de­ren, der viel­leicht eine ab­war­ten­de Hal­tung hat­te, über­zeugt.

Au­to­ri­tät hat mei­nes Er­ach­tens nach viel da­mit zu tun, wie man sich ver­hält. Ich habe De­mut da­vor, dass ich die­sen Job ma­chen darf. Ich habe gro­ßen Re­spekt vor der Leis­tung mei­nes Groß­va­ters und mei­ner Mut­ter. Und ich weiß, dass Truma ohne je­den ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter nicht funk­tio­nie­ren wür­de. Sol­che Din­ge kann man nicht sa­gen, die muss man le­ben. Das spü­ren die Leu­te. Das Wich­tigs­te ist der Re­spekt und mit je­dem Mit­ar­bei­ter auf Au­gen­hö­he zu sein.

Was sind die zentralen Herausforderungen für Truma in den nächsten Jahren?
Wir sind welt­weit Zu­lie­fe­rer für die Ca­ra­van-In­dus­trie für die The­men Hei­zen, Küh­len und Steu­ern. Wir ha­ben uns vom baye­ri­schen zum deut­schen, dann zum eu­ro­päi­schen und schließ­lich zum glo­ba­len Un­ter­neh­men ent­wi­ckelt. Die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung wird uns in den nächs­ten Jah­ren si­cher noch for­dern. Eine zwei­te wich­ti­ge stra­te­gi­sche Säu­le ist die Nut­zung der di­gi­ta­len Chan­cen.

Welche Digitalisierungsthemen sind da für euch relevant?
Wir pa­cken das The­ma Di­gi­ta­li­sie­rung an drei Stel­len an: ef­fi­zi­en­ter Res­sour­cen­ein­satz, Nut­zung von Da­ten für schnel­le­re und bes­se­re Ent­schei­dun­gen und die Er­wei­te­rung des Ge­schäfts­mo­dells. Bei Ers­te­rem schau­en wir uns an, wo wir In­ef­fi­zi­en­zen in un­se­ren Kern­pro­zes­sen ha­ben, und fra­gen uns, wie wir die­se durch die Nut­zung von Tech­no­lo­gie ab­bau­en kön­nen. Wir fü­gen z.B. Da­ten­ban­ken zu­sam­men, un­ter­stüt­zen Pro­zes­se di­gi­tal und ver­su­chen, über­all wo mög­lich mit dem, was wir ha­ben, mehr Out­put zu ge­ne­rie­ren. Da geht es z.B. um Ver­bes­se­run­gen in der In­tra­lo­gis­tik, um Tools für Kol­la­bo­ra­ti­on, um Rou­ten­op­ti­mie­rung im Ser­vice usw. Das zieht sich durch das gan­ze Un­ter­neh­men. Das ist nicht re­vo­lu­tio­när, eher evo­lu­tio­när. Aber eben in ei­nem ra­san­ten Tem­po.

Und wir wa­gen uns an neue The­men. Wir bau­en z.B. ei­nen neu­en Be­reich Data-Sci­ence auf. Da be­fas­sen wir uns da­mit, wie wir zu­künf­tig mit Da­ten um­ge­hen kön­nen und wol­len.

Truma Servicefahrzeug von 1972

Du warst im vergangenen Jahr mit anderen Unternehmern auf einer INTES-/PwC-Reise im Silicon Valley. Hat das deine Sicht auf Truma verändert?

Es war gut, sich selbst ein Bild vom Si­li­con Val­ley und den Un­ter­neh­men dort ge­macht zu ha­ben. Aber rich­tig von den So­cken war ich nicht. Wir ma­chen hier in Deutsch­land schon vie­les rich­tig. Ich ach­te jetzt so­gar noch mehr dar­auf, dass all die Din­ge, die schon da sind, auch er­hal­ten blei­ben. Da­mit Truma er­folg­reich sein kann, braucht es den rich­ti­gen Mix aus Men­schen, aus­ge­stat­tet mit den rich­ti­gen Tech­no­lo­gi­en, ge­paart mit ei­nem kla­ren Fo­kus. Das war frü­her so. Das ist auch heu­te so. Die Auf­ga­be der Ge­schäfts­füh­rung ist es, den Fo­kus vor­zu­ge­ben, zu hü­ten, zu be­wah­ren und die Men­schen zu be­fä­hi­gen, mit­ein­an­der an Zu­kunfts­the­men zu ar­bei­ten.

Die Auf­ga­be der Ge­schäfts­füh­rung ist es, den Fo­kus vor­zu­ge­ben, zu hü­ten, zu be­wah­ren und die Men­schen zu be­fä­hi­gen, mit­ein­an­der an Zu­kunfts­the­men zu ar­bei­ten.

Wie bist du zu diesem Führungsverständnis gekommen?
Füh­rung lernt man mei­ner Mei­nung nach nicht an der Uni und auch nicht in Se­mi­na­ren. Das geht nur in der Pra­xis. Aber ich ma­che ge­ra­de par­al­lel eine zwei­ein­halb­jäh­ri­ge Aus­bil­dung zum sys­te­mi­schen Coach. Da ler­ne ich un­ge­mein viel über Acht­sam­keit, über Grup­pen­dy­na­mik und über Kon­flikt­ma­nage­ment in ei­nem Raum au­ßer­halb von Truma. Das bringt mich enorm wei­ter. An­sons­ten kann ich für mei­nen Teil Füh­rung nur im Un­ter­neh­men ler­nen. Und wenn es das ei­ge­ne Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ist, ist es von Vor­teil, an­fangs et­was zu­rück­hal­ten­der zu blei­ben, um nicht gleich in die gro­ßen Fett­näp­fe zu tre­ten.

Füh­rung lernt man nur in der Pra­xis.

Was würdest du anderen Nachfolgern empfehlen?
Ich emp­feh­le ih­nen, sich ei­nen gu­ten Coach oder Be­kann­ten zu su­chen, der sie be­glei­tet, der sie her­aus­for­dert. Je­man­den, der ih­nen klar und ehr­lich sagt, was sie kön­nen und was nicht. Mir hilft das. Nur so weiß ich, wor­an ich ar­bei­ten muss.

Und: Ja, es ist tur­bu­lent. Ja, es gibt Tage, die sind wie der Flug durch den Ven­ti­la­tor. Aber man ge­wöhnt sich dran. Man soll­te den­noch die Ruhe be­wah­ren und nichts über­stür­zen. Man soll­te auch nicht glau­ben, von Tag 1 an per­fekt sein zu müs­sen. Ich habe z.B. mit mei­nem Füh­rungs­team eine zwölf­mo­na­ti­ge Test-/​Ken­nen­lern­pha­se fest­ge­legt, für die be­stimm­te Re­geln gel­ten. Erst da­nach ge­hen wir in eine här­te­re Gang­art über. Das gab uns al­len die Mög­lich­keit, un­se­re Er­war­tun­gen ab­zu­klop­fen, was enorm wich­tig ist. Und dann gibt es noch ein Key-Learning, das ich aus mei­ner Hil­ti-Zeit mit­ge­nom­men habe: Die an­de­ren ko­chen auch nur mit Was­ser.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 04/​2018.

Truma Gerätetechnik GmbH & Co. KG

Das Un­ter­neh­men hat sei­nen Sitz in Putz­brunn bei Mün­chen und ist ein welt­weit agie­ren­der Her­stel­ler von Kom­fort­pro­duk­ten für Wohn­wa­gen und Rei­se­mo­bi­le. Es bie­tet un­ter an­de­rem Heiz- und Kli­ma­sys­te­me, Warm­was­ser­boi­ler, Ran­gier­sys­te­me so­wie Sys­te­me zur Strom- und Gas­ver­sor­gung an. Truma wur­de 1949 von Alex­an­der Wott­richs Groß­va­ter Phil­ipp Kreis ge­grün­det und ab 1988 von sei­ner Mut­ter Re­na­te Schim­mer-Wott­rich ge­führt, bis Alex­an­der Wott­rich selbst An­fang 2018 die Ge­schäfts­füh­rung  über­nahm. Truma macht mit rund 700 Mit­ar­bei­tern ei­nen Um­satz von ca. 200 Mio. Euro pro Jahr.

NextGen: Alexander Wottrich, 35 Jahre, dritte Generation
Unternehmen: Truma Gerätetechnik GmbH & Co. KG, ca. 200 Mio. EUR Umsatz/​Jahr, 700 Mitarbeiter
Position: Technischer Geschäftsführer
Story: mit Demut und Achtsamkeit suksessive in die Führungsrolle