Next Gen Interview: Aus der Heimat in die Welt

Ihr Unternehmen hat starke Wurzeln am Stammsitz in Mittelfranken. Kunden und Lieferquellen haben Sie in der ganzen Welt. Welche Bedeutung hat die Polarität zwischen Heimat und globalem Marktplatz?

Anne We­del-Klein: In der Hei­mat ver­wur­zelt, in der Welt zu Hau­se – wir ste­hen als Fa­mi­lie und Un­ter­neh­men für bei­des. Mein Ur­groß­va­ter Mar­tin Bau­er hat in Ves­ten­bergs­greuth den Grund­stein un­se­res Un­ter­neh­mens ge­legt. Un­se­re Fa­mi­li­en le­ben seit je­her an die­sem Ort. Stamm­sitz und Kern-Un­ter­neh­mens­funk­tio­nen sind hier an­ge­sie­delt, und hier ist auch der größ­te Stand­ort der Grup­pe. Hei­mat ist für uns et­was Be­stän­di­ges, Nach­hal­ti­ges. Es steht für Ver­traut­heit und fa­mi­liä­re At­mo­sphä­re. Un­se­re un­ter­neh­me­ri­sche Ar­beit spie­gelt die­se Wer­te.

Hei­mat ist für uns et­was Be­stän­di­ges, Nach­hal­ti­ges.

Sie tragen zu den blühenden Landschaften jenseits der Metropolen bei?

Auf je­den Fall. Wir för­dern zahl­rei­che Pro­jek­te in den Re­gio­nen, in de­nen wir tä­tig sind. Bei­spie­le vom Stamm­sitz: die Kräu­ter-Apo­the­ke im Frei­land­mu­se­um Bad Winds­heim oder der Kräu­ter-Gar­ten Mar­tin Bau­er. Wir för­dern die Ju­gend­ar­beit, Sport­ver­ei­ne, kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen.

… und jetzt bitte Ihr zweiter Punkt: in der Welt zu Hause.

Wir sind uns stets des­sen be­wusst, dass un­se­re Un­ter­neh­mens­grup­pe nicht dort stün­de, wo sie der­zeit steht, wenn wir uns nicht früh­zei­tig in­ter­na­tio­nal auf­ge­stellt und im Aus­land nach der De­vi­se »im Land, für das Land« in­ves­tiert hät­ten. Mitt­ler­wei­le er­zie­len wir rund 70 Pro­zent un­se­res Um­sat­zes mit dem oder im Aus­land. Wir sind heu­te an 20 Stand­or­ten mit Pro­duk­ti­ons­stät­ten in 12 Län­dern ver­tre­ten.

Die Martin-Bauer-Stecknadeln in der globalen Landkarte …

Für uns ist es mehr als das. Auch in der Fer­ne ver­an­kern wir uns wie­der in der dor­ti­gen Hei­mat. Wir ver­su­chen, lang­fris­tig et­was auf­zu­bau­en – in der Hei­mat an­de­rer, wo wir uns mit der Zeit auch zu Hau­se füh­len. Wir wol­len auch hier eine be­son­de­re At­mo­sphä­re ent­ste­hen las­sen, in­dem wir vie­le An­rei­ze für un­se­re Mit­ar­bei­ter schaf­fen, so­wie die Um­ge­bung mit ein­bin­den, bei­spiels­wei­se durch Städ­te- oder Schul­part­ner­schaf­ten.

Ihr heutiger Lebensmittelpunkt liegt in den USA. Sie leben das Internationale, sind jetzt in Verkauf und Geschäftsentwicklung tätig. Welcher Weg hat Sie von Mittelfranken in die Ferne geführt?

Ich darf vor­weg sa­gen: Durch Stu­di­um und be­ruf­li­che Tä­tig­keit habe ich viel Zeit im Aus­land ver­bracht – und ich rei­se sehr ger­ne. Ich war viel in un­se­ren Tee-An­bau­län­dern in der gan­zen Welt un­ter­wegs. Nach dem Stu­di­um habe ich für eine Un­ter­neh­mens­be­ra­tung ge­ar­bei­tet. In mei­ner ers­ten Po­si­ti­on im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ar­bei­te­te ich als As­sis­ten­tin der Ge­schäfts­lei­tung. Nach ei­nem Jahr war mir klar: Die nächs­te Po­si­ti­on soll nä­her am Markt und am Kun­den sein. Als sich eine Chan­ce in den USA auf­tat, habe ich das ei­nen Tag durch­dacht – und dann zu­ge­grif­fen.

Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Welche Chancen bietet Ihr Wirken in New Jersey, fern der Unternehmenszentrale?

Für das Un­ter­neh­men ist das ein Ge­winn, ich habe das per­sön­lich er­fah­ren dür­fen. Die Mit­ar­bei­ter am Stand­ort im Aus­land fin­den es toll, wenn ein Fa­mi­li­en­mit­glied un­ter ih­nen ist. Das prägt, es hat Si­gnal­wir­kung, es stärkt die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Mar­tin Bau­er Group als Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men. Auch für mich per­sön­lich sehe ich Chan­cen, die die phy­si­sche Ent­fer­nung vom Stamm­haus bie­tet: Ich kann hier mehr Frei­räu­me aus­schöp­fen.

Ihr Cousin ist ebenfalls international unterwegs; sie beide sind derzeit diejenigen, die als Mitglieder der vierten Generation aktiv im Geschäft stehen.

Ja, Mar­tin A. We­del ist wie ich nach ex­ter­ner Be­rufs­er­fah­rung ins Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ein­ge­stie­gen. Seit März 2013 ist er in Po­len als stell­ver­tre­ten­der Ge­schäfts­füh­rer tä­tig. Dort deckt er ein sehr brei­tes Spek­trum un­se­rer Wert­schöp­fung ab – eine gute Vor­be­rei­tung auf spä­te­re Funk­tio­nen.

In­for­ma­tio­nen und Aus­tausch schaf­fen Iden­ti­tät. Da­für tun wir viel.

Polen, USA, Mittelfranken – wie halten Sie familiäre Bindung und Kommunikation in der Inhaberfamilie über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg aufrecht?

In­for­ma­tio­nen und Aus­tausch schaf­fen Iden­ti­tät. Da­für tun wir viel. E-Mail, Te­le­fon und Fa­mi­li­en­tref­fen sind un­se­re Ka­nä­le. Mit mei­nem Cou­sin habe ich je­den Mo­nat ei­nen te­le­fo­ni­schen Jour fixe. Wir tau­schen uns über die The­men in Ge­schäft und Fa­mi­lie aus, das geht zum Teil weit über die Ta­gesa­gen­da hin­aus, wir sind uns ge­gen­sei­tig Spar­rings­part­ner. Min­des­tens fünf Mal im Jahr bin ich am Stamm­sitz in Deutsch­land, dann gibt es Fa­mi­li­en­tref­fen, teils auch mit den Le­bens­part­nern. Die­ses For­mat ha­ben wir im Jahr 2006 be­gon­nen, es ist heu­te ein wich­ti­ges Bin­de­glied. Wenn wir uns tref­fen, dis­ku­tie­ren wir je­weils drei bis vier Stun­den über den Stand der Din­ge in der Un­ter­neh­mens­grup­pe und die wich­tigs­ten Vor­ha­ben. Da­ne­ben sind auch die ge­mein­sa­men Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten sehr ge­schätzt.

Es ist im­mer gut, Best Prac­tice Ca­ses zu ken­nen – um spä­ter dar­aus für sich das pas­sen­de Mo­dell zu ent­wi­ckeln.

Ihr Vater und Ihr Onkel bilden eine Doppelspitze und führen das Geschäft gemeinsam mit zwei familienfremden Spitzenmanagern. Ist das Führungsmodell eine Vorlage für die Martin Bauer Group von morgen?

Die­ses Mo­dell hat sich von je­her be­währt, sein Er­folg spricht für sich. Die Be­tei­lig­ten ha­ben es ge­mein­sam ent­wi­ckelt, das ist auch sei­ne Stär­ke, sie le­ben es mit vol­ler Über­zeu­gung. Die Kern­be­rei­che des Ge­schäfts sind im Top-Ma­nage­ment ver­an­kert, es gibt kla­re Ent­schei­dungs­pro­zes­se. Da­mit sind wir gut auf­ge­stellt. Des­halb ist das der­zei­ti­ge Füh­rungs­mo­dell de­fi­ni­tiv eine sehr gute Vor­la­ge für die nächs­te Ge­ne­ra­ti­on. Es ist im­mer gut, Best Prac­tice Ca­ses zu ken­nen – um spä­ter dar­aus für sich das pas­sen­de Mo­dell zu ent­wi­ckeln.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 04/​2014.

Martin Bauer GmbH & Co. KG

Mar­tin Bau­er Group mit Sitz im mit­tel­frän­ki­schen Ves­ten­bergs­greuth wur­de 1930 als Kräu­ter­ver­ar­bei­tungs­werk Mar­tin Bau­er ge­grün­det. Heu­te ist sie als An­bie­ter von Tee, Ex­trak­ten und pflanz­li­chen Roh­stof­fen auf der gan­zen Welt prä­sent. Kun­den sind die Tee-, Ge­trän­ke- und phy­to­phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie. Die Grup­pe be­schäf­tigt rund 3.100 Mit­ar­bei­ter und er­wirt­schaf­tet ei­nen kon­so­li­dier­ten Um­satz von ca. 450 Mio. EUR.

NextGen: Anne Wedel-Klein, 31 Jahre, 4. Generation
Unternehmen: Martin Bauer Group, 450 Mio. EUR Umsatz, 3.100 Mitarbeiter
Position: Mitglied der Geschäftsleitung
Story: In der Heimat verwurzelt, in der Welt zu Hause.