Next Gen Interview: »Spielerin und Trainerin«

Strategien umsetzen, Teams führen, sich durchsetzen: Denise Kaufmann bringt aus dem Roller Derby einiges mit, was sie auch im Unternehmen gut gebrauchen kann. Beim Generationswechsel setzt der Getränkehersteller Winkels zudem auf ein breit aufgestelltes Geschäftsführungsteam.

De­ni­se, vor dem Ein­stieg ins Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men hast du dei­ne ei­ge­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agen­tur ge­grün­det. Of­fen­bar war der Weg ins Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men nicht vor­her­be­stimmt?

DENISE KAUFMANN: Wäh­rend mei­ner Kind­heit hat­te ich kaum Be­rüh­rungs­punk­te mit un­se­rem Un­ter­neh­men. Die Fir­men­zen­tra­le war 40 Ki­lo­me­ter von un­se­rem Wohn­ort ent­fernt und zu Hau­se war das Un­ter­neh­men nur sel­ten ein The­ma. Nach mei­nem Schul­ab­schluss habe ich Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign stu­diert und mich spä­ter mit ei­ner Krea­ti­vagen­tur selbst­stän­dig ge­macht. Die Ver­bin­dung zu un­se­rem Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ist erst durch mei­ne Ar­beit ent­stan­den. Ich habe die Gra­fik für un­se­re Mar­ken und Kam­pa­gnen ge­macht und viel mit der Mar­ke­ting­ab­tei­lung von Win­kels zu­sam­men­ge­ar­bei­tet.

Schließlich hast du dich doch für den Eintritt ins Familienunternehmen entschieden. Was gab den Ausschlag?
Mit mei­ner Agen­tur hat­te ich ei­nen Punkt er­reicht, an dem der nächs­te Schritt in Rich­tung Wachs­tum hät­te fol­gen müs­sen, und dann wur­de die Stel­le der da­ma­li­gen Mar­ke­ting­lei­te­rin va­kant. Ich habe ge­dacht: jetzt oder nie.

Dein Vater muss erleichtert gewesen sein.
Mein Va­ter hat­te nicht mehr da­mit ge­rech­net, dass ich ins Un­ter­neh­men ein­stei­ge. Ich habe vor fünf Jah­ren als Mar­ke­ting­lei­te­rin bei Win­kels an­ge­fan­gen. Seit Be­ginn des Jah­res 2018 bin ich Ge­schäfts­füh­re­rin für Mar­ke­ting und Ver­trieb in den Pro­duk­ti­ons­be­trie­ben und der Hol­ding.

Ist die Nachfolge bei der Winkels-Gruppe jetzt geregelt?
Ja, im ver­gan­ge­nen Jahr hat sich die Ge­schäfts­füh­rung kom­plett neu auf­ge­stellt. Die Be­rei­che Ver­trieb und Lo­gis­tik wer­den mit Die­ter Ha­mel (Ver­trieb Le­bens­mit­tel­han­del), Hei­ko Ur­sprung (Gas­tro­no­mie und Ver­trieb Ge­trän­ke­fach­groß­han­del)
und Hel­mut Stroh­mey­er (Lo­gis­tik) von drei sehr er­fah­re­nen Mit­ar­bei­tern ge­lei­tet. Auf der Hol­din­ge­be­ne tei­len mein Va­ter, un­ser kauf­män­ni­scher Ge­schäfts­füh­rer Dr. Alex­an­der Gran­get und ich uns die Auf­ga­ben. Al­ler­dings be­fin­den wir uns der­zeit noch in ei­ner Über­g­angs­pha­se. Mein Va­ter ist als ge­schäfts­füh­ren­der Ge­sell­schaf­ter nach wie vor ak­tiv, er gibt aber im­mer mehr ab.

Wie lange wird dein Vater seine Funktion noch ausüben?
Mein Va­ter wird im nächs­ten Jahr 70 Jah­re alt. Er hat an­ge­kün­digt, dass er bis Ende 2020 auf je­den Fall noch wei­ter­ma­chen wird. Ob er sich 2021 in den Bei­rat zu­rück­zieht, steht aber noch nicht end­gül­tig fest.

Wie klappt die Zusammenarbeit?
Im Gro­ßen und Gan­zen funk­tio­niert die Zu­sam­men­ar­beit mit mei­nem Va­ter gut. Wir ha­ben wö­chent­li­che Jour-Fixe-Ter­mi­ne, bei de­nen wir uns ab­stim­men. Aber es hat auch je­der sei­nen ei­ge­nen Ver­ant­wor­tungs­be­reich. Ich lei­te den Be­reich Mar­ke­ting und das Pro­dukt­ma­nage­ment und mein Va­ter küm­mert sich um stra­te­gi­sche The­men der Lo­gis­tik. Stra­te­gi­sche The­men der Pro­duk­ti­ons­sei­te ge­hen wir ge­mein­sam an. Manch­mal hakt es aber auch, z.B. wenn es dar­um geht, mich be­reits jetzt in The­men­be­rei­che mehr ein­zu­be­zie­hen, die spä­ter in mei­nen Ver­ant­wor­tungs­be­reich über­ge­hen wer­den. Wir ha­ben auch un­ter­schied­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen im Be­reich Mit­ar­bei­ter­füh­rung. Mein Va­ter hat die Fir­ma groß ge­macht und ist mit ihr ge­wach­sen. Seit 20 Jah­ren trifft er un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dun­gen weit­ge­hend al­lein. Ich da­ge­gen habe kei­nen be­triebs­wirt­schaft­li­chen Hin­ter­grund und ste­cke in den ope­ra­ti­ven The­men nicht so tief drin. Da­her muss ich mei­ne Mit­ar­bei­ter viel stär­ker in die Ent­schei­dungs­pro­zes­se in­vol­vie­ren.

Ist es dir schwergefallen, deine Unabhängigkeit aufzugeben?
Nein. Ich emp­fin­de es nicht so. Ich kann hier viel mehr be­we­gen als in mei­ner Agen­tur, weil die un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dun­gen und Pro­jek­te hier an­de­re Di­men­sio­nen ha­ben. Al­ler­dings war das frü­he Auf­ste­hen eine Um­stel­lung für mich. In der Agen­tur­welt be­ginnt der Ar­beits­tag spä­ter als in pro­du­zie­ren­den Un­ter­neh­men.

Welche Themen treibst du im Unternehmen voran?
Ich be­schäf­ti­ge mich vor al­lem mit Pro­dukt­in­no­va­tio­nen und dem Port­fo­lio, der Wei­ter­ent­wick­lung des Be­reichs On­line­mar­ke­ting und habe auch neue Be­rei­che wie Em­ploy­er-Bran­ding bzw. Per­so­nal­mar­ke­ting auf den Weg ge­bracht. Auch Test­bal­lons für neue Ver­triebs­schie­nen, wie z.B. Ama­zon, oder Ko­ope­ra­tio­nen im Be­reich Lohn­fül­lun­gen ste­hen auf mei­nem Zet­tel.

Wie packt ihr das Thema Employer-Branding an?
Zu­nächst muss­ten wir die Ba­sis­ar­beit er­le­di­gen, in­dem wir un­se­ren Mar­ken­kern als Ar­beit­ge­ber­mar­ke her­aus­ge­ar­bei­tet und un­se­re Un­ter­neh­mens­wer­te aus­for­mu­liert ha­ben. Wei­ter­hin ha­ben wir ver­schie­de­ne Kar­rie­r­e­be­rei­che de­fi­niert und un­ter­sucht, wie die Ziel­grup­pe für die­se ver­schie­de­nen Be­rei­che tickt bzw. was für die­se bei der Aus­wahl ei­nes Ar­beit­ge­bers ent­schei­dend ist. Heu­te be­wirbt sich das Un­ter­neh­men beim Ar­beit­neh­mer und nicht mehr um­ge­kehrt, das muss auch in­tern erst mal in den Köp­fen ver­an­kert wer­den. Wich­tig ist aber auch: Nach au­ßen kann nur kom­mu­ni­ziert wer­den, was man nach­her auch ein­hält. Da­her ha­ben wir her­aus­ge­ar­bei­tet, was uns von an­de­ren Ar­beit­ge­bern in der Re­gi­on un­ter­schei­det und was Win­kels ziel­grup­pen­re­le­vant zu bie­ten hat. Die Er­geb­nis­se wer­den in den nächs­ten Mo­na­ten in ei­nem deut­lich um­fang­rei­che­ren Kar­rie­re-Be­reich auf der Web­sei­te und quer durch alle un­se­re Me­di­en aus­ge­rollt.

Ich muss mei­ne Mit­ar­bei­ter viel stär­ker in die Ent­schei­dungs­pro­zes­se in­vol­vie­ren.

Welche Themen werden in Zukunft eine besondere Rolle spielen?
Un­se­re Bran­che be­fin­det sich der­zeit im Um­bruch. Die Kun­den­be­dürf­nis­se ha­ben sich ver­än­dert und da­mit auch das Wett­be­werbs­um­feld, in dem wir uns be­we­gen. Mar­ken­treue spielt eine im­mer ge­rin­ge­re Rol­le. Die Be­deu­tung von Han­dels­mar­ken und die Ver­hand­lungs­macht der gro­ßen Le­bens­mit­tel­ein­zel­händ­ler ha­ben zu­ge­nom­men. Zu­dem sind mit den An­bie­tern von Sprud­lern für Lei­tungs­was­ser neue Wett­be­wer­ber hin­zu­ge­kom­men. Der zu­neh­men­de Ver­drän­gungs­wett­be­werb führt zu ei­ner Kon­so­li­die­rung des Fach­groß­han­dels und zu ei­ner stär­ke­ren Kon­zen­tra­ti­on. Für uns be­deu­tet das, dass wir fle­xi­bel ge­nug sein müs­sen, um uns an die Ver­än­de­run­gen an­zu­pas­sen und um Chan­cen, die sich bie­ten, er­grei­fen zu kön­nen. Zu­künf­tig wird es dar­um ge­hen, ge­mein­sam mit Han­dels­part­nern ganz­heit­li­che Lö­sun­gen von der Quel­le bis zum End­ver­brau­cher an­zu­bie­ten und sich stär­ker an den in­di­vi­du­el­len Be­dürf­nis­sen der Ver­brau­cher zu ori­en­tie­ren.

In deiner Freizeit spielst du Roller Derby bei Stuttgart Valley Roller Derby. Bei diesem Vollkontaktsport auf Rollschuhen geht es darum, sich mit körperlichem Einsatz gegen das gegnerische Team durchzusetzen. Dabei geht es rau und laut zu. Was fasziniert dich an dieser Sportart?
Ich be­trei­be die­sen Sport seit über zwölf Jah­ren. Rol­ler Der­by wird mit kör­per­li­cher Här­te ge­spielt, ist aber gleich­zei­tig sehr stra­te­gisch, da die Spie­ler stän­dig zwi­schen Of­fen­se- und De­fen­se-Tak­ti­ken wech­seln. Es hat mir sehr viel Spaß ge­macht, ge­mein­sam mit mei­nen da­ma­li­gen Team­kol­le­gin­nen die­se Sport­art in Deutsch­land auf­zu­bau­en und zu eta­blie­ren. Wir ha­ben den Stutt­gar­ter Rol­ler Der­by Ver­ein ge­grün­det – da­mals der ers­te in Deutsch­land und ei­ner der we­ni­gen in Eu­ro­pa. Heu­te gibt es über 40 deut­sche Teams und ei­nen Bun­des­li­ga­spiel­be­trieb. Wir ha­ben eine Sport­kom­mis­si­on ins Le­ben ge­ru­fen, de­ren Vor­sit­zen­de ich vie­le Jah­re war, und ha­ben uns dem Dach­ver­band des Deut­schen Roll­sport und In­li­ne­ver­bands an­ge­schlos­sen. Seit­dem ich Ge­schäfts­füh­re­rin bei Win­kels bin, habe ich mei­ne Eh­ren­äm­ter ab­ge­ge­ben, mir fehlt ein­fach die Zeit. Ich en­ga­gie­re mich aber nach wie vor als Spie­le­rin und Trai­ne­rin in mei­nem Ver­ein.

Hilft dir die Erfahrung aus dem Sport bei deiner Rollenfindung im Unternehmen?
In ge­wis­ser Wei­se ja. Zum ei­nen brin­ge ich si­cher­lich schon Ei­gen­schaf­ten mit, die so­wohl für mei­ne Ar­beit als auch für Rol­ler Der­by von Vor­teil sind. Zum an­de­ren habe ich durch die Ver­eins- und Ver­bands­ar­beit ge­lernt, wie man ein Team führt und The­men plat­ziert. Der Sport macht resi­li­ent, för­dert das Durch­set­zungs­ver­mö­gen und die Team­fä­hig­keit. Zu­dem war ich im­mer gleich­zei­tig Spie­le­rin und Trai­ne­rin. Dies wirkt sich auch auf mei­nen Füh­rungs­stil aus.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 02/​2019.

Die Winkels Getränke Logistik GmbH & Co. Holding KG

Die Win­kels Ge­trän­ke Lo­gis­tik GmbH & Co. Hol­ding KG mit Sitz in Sach­sen­heim bei Lud­wigs­burg wird 1930 von Er­win Win­kels un­ter dem Na­men „Er­win Win­kels Fa­brik al­ko­hol­frei­er Ge­trän­ke“ ge­grün­det. Als der Un­ter­neh­mens­grün­der 1952 durch ei­nen Ver­kehrs­un­fall ums Le­ben kommt, über­nimmt zu­nächst sei­ne Ehe­frau Emma Win­kels den Be­trieb, über­gibt die Lei­tung aber 1955 an ih­ren Schwie­ger­sohn Ger­hard Rumm­ler. Im Jahr 2000 zieht sich Ger­hard Rumm­ler nach 45 Jah­ren aus dem Ta­ges­ge­schäft zu­rück und über­gibt das Un­ter­neh­men an sei­nen Nef­fen Ger­hard Kauf­mann. Un­ter sei­ner Re­gie ent­wi­ckelt sich die Un­ter­neh­mens­grup­pe zu ei­nem der füh­ren­den Ge­trän­ke­lo­gis­ti­ker im süd­west­deut­schen Raum mit ei­nem Um­satz von knapp 386 Mil­lio­nen Euro (2018) und 811 Mit­ar­bei­tern. Mit De­ni­se Kauf­mann tritt 2015 die vier­te Ge­ne­ra­ti­on in das Un­ter­neh­men ein. Die Toch­ter von Ger­hard Kauf­mann über­nimmt die Lei­tung des Be­reichs Mar­ke­ting und wird Mit­glied der er­wei­ter­ten Ge­schäfts­lei­tung. Zeit­gleich wird die Ge­schäfts­füh­rung der Hol­ding durch den fa­mi­li­en­frem­den Ma­na­ger Dr. Alex­an­der Gran­get er­wei­tert, der die Funk­ti­on des kauf­män­ni­schen Ge­schäfts­füh­rers über­nimmt. An­fang 2018 rückt De­ni­se Kauf­mann in die Hol­ding-Ge­schäfts­füh­rung auf, wo sie die The­men Mar­ke­ting und Ver­trieb ver­ant­wor­tet. Die Ge­sell­schaf­ter­an­tei­le sind auf drei Fa­mi­li­en­stäm­me ver­teilt. Die Fa­mi­lie Kauf­mann hält die Mehr­heit der An­tei­le.

NextGen: Denise Kaufmann, 37 Jahre, 4. Generation
Unternehmen: Winkels Getränke Logistik GmbH & Co. Holding KG, knapp 386 Mio. EUR Umsatz/​Jahr, 811 Mitarbeiter
Position: Mitglied der Geschäftsführung, Marketing und Vertrieb
Story: Nach dem Studium gründete Denise eine eigene Kommunikationsagentur und fand so über die Zusammenarbeit mit der Marketingabteilung von Winkels ins Familienunternehmen.