Next Gen Interview: »Raketenstart«

Felix Kroschke und sein Bruder bringen einen neuen „Sense of Urgency“ in den Transformationsprozess beim Kfz-Zulassungsexperten Kroschke. Kommunikation auf Augenhöhe, Mut zum Nichtwissen und neue, junge Mitarbeiter in Schlüsselpositionen sind nur ein Teil des Konzepts.

Fe­lix, wie sah dein Weg ins Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men aus?

FELIX KROSCHKE: ch habe erst BWL in Ham­burg und dann Jura in Müns­ter stu­diert. Nach dem Staats­ex­amen woll­te ich zu­nächst in Teil­zeit ers­te Schrit­te in der Un­ter­neh­mens­grup­pe wa­gen und par­al­lel in Jura pro­mo­vie­ren. Aber dann schie­den Mit­te 2016 zwei Ge­schäfts­füh­rer aus. Mein Bru­der, der schon zehn Jah­re im Un­ter­neh­men war, fand, dass ein Fa­mi­li­en­mit­glied ge­nau rich­tig sei und dass wir uns sehr gut er­gän­zen. Er ist der krea­ti­ve Drauf­gän­ger-Typ, ich eher der ana­ly­ti­sche Struk­tu­rie­rer.

Wie habt ihr die Geschäftsbereiche aufgeteilt?
Mein Bru­der ist für alle kun­den­na­hen The­men, also vor al­lem für Sa­les und Mar­ke­ting und die Ope­ra­ti­ons in der Flä­chen­or­ga­ni­sa­ti­on zu­stän­dig. Er ist das Ge­sicht von Krosch­ke im Markt. Ich bin für die in­ter­nen Ab­läu­fe, u.a. für HR, IT, Fi­nan­zen, Con trol­ling, Busi­ness-De­ve­lop­ment, M&A, und da­mit auch ei­ni­ge span­nen­de Zu­kunfts­the­men zu­stän­dig.

Während dein Bruder sich im Unternehmen „hochgearbeitet“ hat, bist Du ohne viel Führungserfahrung auf Geschäftsführerebene eingestiegen. Wie war das?
Das, was man braucht, um ein Un­ter­neh­men wie Krosch­ke zu füh­ren, lernt man nur durch „trai­ning on the job“. Da­von bin ich über­zeugt. Ich habe nie ei­nen Hehl dar­aus ge­macht, dass ich vie­le Din­ge nicht weiß und nicht auf ei­nen jah­re­lan­gen Er­fah­rungs­schatz zu­rück­grei­fen kann. Ich habe eine Jour-Fixe-Struk­tur ein­ge­führt, um so sehr vie­le Ge­sprä­che zu füh­ren und eine enge Tak­tung zu ha­ben. Ich habe mich von den Leu­ten in­halt­lich ab­ho­len las­sen, habe sie auch vor Ort in der Flä­che be­glei­tet. Of­fen kom­mu­ni­zie­ren, den Leu­ten auf Au­gen­hö­he be­geg­nen, mehr Spar­rings­part­ner als Chef sein – das hat für mich funk­tio­niert. Und na­tür­lich braucht man eine sehr gute zwei­te Füh­rungs­ebe­ne, auf die man sich ver­las­sen kann. Das war bei uns der Fall.

Wir wuss­ten, dass wir uns in ein Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men wür­den ver­wan­deln müs­sen.

Ihr seid gerade dabei, das Unternehmen grundlegend zu transformieren. Wie kam es dazu?
Ja, wir ste­cken mit­ten in ei­nem gro­ßen Chan­ge-Pro­zess. Ziel ist, kun­den­ori­en­tier­ter, agi­ler und ef­fek­ti­ver zu wer­den. Die Er­kennt­nis, dass Ver­än­de­rung not­wen­dig war, gab es schon lan­ge vor mei­ner Zeit. Schließ­lich hat­te die Bun­des­re­gie­rung schon vor Jah­ren be­schlos­sen, den ana­lo­gen Kfz-Zu­las­sungs­pro­zess auf ein in­ter­net­ba­sier­tes Ver­fah­ren um­stel­len zu wol­len. Wir sind in den Ar­beits­krei­sen und durch un­se­re Ver­bands­tä­tig­keit am Puls. Dass sich un­ser Ge­schäfts­mo­dell, das bis­lang zu gro­ßen Tei­len auf dem Ge­schäft un­se­rer Fi­lia­len bei den Zu­las­sungs­stel­len ba­siert, kom­plett wür­de än­dern müs­sen, war also klar. Neu ist al­ler­dings, dass wir in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ei­nen ganz an­de­ren „Sen­se of Ur­gen­cy“ ins Un­ter­neh­men ge­bracht ha­ben. Zwar wuss­ten wir, dass wir im an­ge­stamm­ten Ge­schäft noch 10 bis 15 Jah­re pro­fi­ta­bel sein wer­den. Aber wir wuss­ten auch, dass wir uns von ei­ner Flä­chen­or­ga­ni­sa­ti­on mit ak­tu­ell rund 450 Fi­lia­len in ein Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men wür­den ver­wan­deln müs­sen. Das be­deu­tet Chan­ge­ma­nage­ment auf al­len Ebe­nen.

Wie sieht euer Fahrplan aus?
Wir sind mit ei­nem ex­tern be­glei­te­ten Stra­te­gie­pro­zess ge­star­tet, aus dem sich ne­ben Vi­si­on, Mis­si­on und Leit­bild dann im Lau­fe des Pro­zes-ses eine Viel­zahl von Ein­zel­maß­nah­men ab­ge­lei­tet hat. So schau-en wir uns jen­seits der di­gi­ta­len Kfz-Zu­las­sung vie­le al­ter­na­ti­ve Ge­schäfts­mo­del­le an, in­ves­tie­ren in Start-ups und ge­hen par­al­lel die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung an. Au­ßer­dem ar­bei­ten wir in­ten­siv an der Un­ter­neh­mens­kul­tur. Wir ha­ben un­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tu­ren ver­än­dert, du­zen uns ver­mehrt un­ter­neh­mens­weit, nut­zen Tools wie Con­flu­ence, Slack und Trel­lo, ge­stal­ten un­se­re Mee­tings an­ders, ha­ben das Cor­po­ra­te De­sign über­ar­bei­tet, ge­stal­ten un­se­re Räu­me um – das gan­ze Pro­gramm, ein­schließ­lich der Re­or­ga­ni­sa­ti­on seit Be­ginn die­ses Jah­res, an der wir wei­ter ar­bei­ten. Un­se­re Vi­si­on lau­tet, dass wir Mo­bi­li­tät ein­fach ma­chen. Nur durch uns kön­nen Fahr­zeu­ge al­ler Art auf der Stra­ße sein, ohne dass wir selbst Men­schen oder Gü­ter von A nach B brin­gen. Di­gi­ta­le Ge­schäfts­mo­del­le im Be­reich der Kfz-Ver­mark­tung be­nö­ti­gen ak­tu­ell un­se­re Dienst­leis­tun­gen. Das ist ein ein­ma­li­ges „Win­dow of op­por­tu­ni­ty“. Wir wol­len der Bau­stein der Zu­las­sung in di­gi­ta­len Pro­zess­ket­ten wer­den und da­mit qua­si das „Pay­Pal der Zu­las­sung“ sein.

Trans­for­ma­ti­on ist auch im­mer mit In­ves­ti­tio­nen ver­bun­den, die auf die Ren­di­te drü­cken.

Schafft ihr das mit der bestehenden Mannschaft?
Das funk­tio­niert nur, wenn man die be­ste­hen­de Mann­schaft mit­nimmt. Aber wenn wir über neue Tech­no­lo­gi­en re­den, wie z.B. den in­no­va­ti­ven Ein­satz von Block­chain-Tech­no­lo­gi­en, um das Ei­gen­tum an ei­nem Fahr­zeug di­gi­tal zu be­stä­ti­gen und zu über­tra­gen, braucht es ganz neue Kom­pe­ten­zen im Un­ter­neh­men. Und es ist wich­tig, in Schlüs­sel­po­si­tio­nen Füh­rungs­kräf­te ein­zu­set­zen, die den neu­en Weg ge­hen wol­len. So ha­ben wir jüngst mit Oli­ver Schlü­ter ei­nen neu­en Ge­schäfts­füh­rer ge­won­nen, der ein ech­ter Di­gi­tal Na­ti­ve ist, u.a. schon für Ad­form oder für Goog­le an User-Jour­ney- und Platt­form-The­men ge­ar­bei­tet hat und der uns bei der Di­gi­ta­li­sie­rung und Neu­aus­rich­tung vor­an­trei­ben soll.

Wie sieht eure Wunschorganisation der Zukunft aus? Wollt ihr so agil werden wie Google?
Goog­le ist si­cher­lich nicht das Ziel. Al­les mit Au­gen­maß. Na­tür­lich müs­sen alle neu­en Tools, Pro­zes­se, Tech­no­lo­gi­en auch zum Un­ter­neh­men pas­sen. Und die To­na­li­tät muss stim­men. Wir müs­sen un­se­re Leu­te ab­ho­len und mit­neh­men. Ein span­nen­der Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess in Stu­fen hin zum „Pay­Pal der Zu­las­sung“.

Was würdest du jungen Nachfolgern, die ihr Unternehmen ähnlich transformieren wollen, raten?
Ehr­lich­keit ist ganz wich­tig. Wo lie­gen mei­ne Kom-pe­ten­zen und wo be­nö­ti­ge ich Hil­fe? Man darf kei­ne Angst ha­ben, Hil­fe in An­spruch zu neh­men. Die braucht man auch, denn man wird in­tern und ex­tern auf Wi­der­stän­de tref­fen. Trans­for­ma­ti­on ist auch im­mer mit In­ves­ti­tio­nen ver­bun­den, die auf die Ren­di­te drü­cken. Man muss die Trans­for­ma­ti­on da­her auch dann ver­tei­di­gen, wenn man Sor­gen hat, ob man sich auf dem rich­ti­gen Weg be­fin­det. In­tern muss man Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen mit den ei­ge­nen Ide­en an­ste­cken. Sie wer­den dann zu Mul­ti­pli­ka­to­ren, die man un­be­dingt braucht. Und als un­ge­dul­di­ger Mensch, der ich bin, braucht man auch die Ruhe, der Trans­for­ma­ti­on ihre Zeit zu ge­ben. Nur dann ist der Chan­ge in ei­ner eta­blier­ten Or­ga­ni­sa­ti­on auch nach­hal­tig.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 03/​2019.

Die Kroschke Gruppe

Die Die Krosch­ke Grup­pe aus Ah­rens­burg ist auf Dienst­leis­tun­gen rund um die Kfz-Zu­las­sung spe­zia­li­siert (1.900 Mit­ar­bei­ter, rund 120 Mio. Euro Um­satz). Di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on bei Krosch­ke be­deu­tet u.a.: Ein­satz von Künst­li­cher In­tel­li­genz und Block­chain-Tech­no­lo­gie im Zu­las­sungs­pro­zess, platt­form­über­grei­fen­de Cust­o­m­er- Ex­pe­ri­ence, Neu­aus­rich­tung be­ste­hen­der Wert­schöp­fungs­ket­ten und mehr Agi­li­tät und In­no­va­ti­ons­kraft durch New-Work-Kon­zep­te.

NextGen: Felix Kroschke, 31 Jahre, 3. Generation
Unternehmen: Christoph Kroschke GmbH, rund 120 Mio. Euro Umsatz,1.900 Mitarbeiter
Position: Mitglied der dreiköpfigen Geschäftsführung
Story: Um für die Zukunft gewappnet zu sein, initiierte er gemeinsam mit dem älteren Bruder Philipp einen kulturellen und technologischen Transformationsprozess – Changemanagement auf allen Ebenen.