Next Gen Interview: Heute schon erkennen, was das Geschäft von morgen prägt

Du bist Mitglied einer Unternehmerfamilie in der fünften Generation, beruflich aber außerhalb aktiv als Managing Partner des von dir gegründeten Venture-Capital-Fonds La Famiglia. Wie kam es dazu?

DR. JEAN­NET­TE ZU FÜRS­TEN­BERG: Ich habe BWL in Mün­chen, Lon­don und Pa­ris stu­diert und mich be­son­ders mit der Wech­sel­wir­kung von un­ter­neh­me­ri­scher In­no­va­ti­on, Kunst und Krea­ti­vi­tät be­fasst. Mei­ne Lei­den­schaft galt schon im­mer dem Un­ter­neh­mer­tum. Auf mei­ner ers­ten Sta­ti­on im Be­ruf – ei­nem Equi­ty-Fonds – ha­ben wir ei­nen wer­te­ba­sier­ten An­satz ver­folgt, da­bei sehr ge­nau auf Per­sön­lich­keit und Pro­fil des Un­ter­neh­mers ge­ach­tet. Das ist zu ei­nem Leit­mo­tiv ge­wor­den, das mir sehr wich­tig ist.

Mei­ne Lei­den­schaft galt schon im­mer dem Un­ter­neh­mer­tum.

Welche Rolle hast du im Unternehmen Deiner Familie?

In mei­ner Ge­ne­ra­ti­on, der fünf­ten, bin ich der äl­tes­te Nach­kom­me. Ich hat­te ein sehr en­ges Ver­hält­nis zu mei­nem Groß­va­ter. Sein Wir­ken war ganz ent­schei­dend für die Un­ter­neh­mens­ent­wick­lung von Kroh­ne. Er hat das Ge­schäft von an­fangs zehn auf meh­re­re Tau­send Mit­ar­bei­ter ge­führt und leg­te den Grund­stein für die jet­zi­ge Markt­stel­lung. Die heu­ti­ge Ge­schäfts­füh­rung, der mein On­kel Mi­cha­el Dub­bick an­ge­hört, hat die­sen Weg kon­se­quent wei­ter aus­ge­baut und Kroh­ne zu ei­nem der welt­wei­ten Tech­no­lo­gie­füh­rer in der Pro­zess­mess­tech­nik ent­wi­ckelt. Bei mei­nem Groß­va­ter spiel­te üb­ri­gens auch die Kunst als Quel­le für un­ter­neh­me­ri­sche Krea­ti­vi­tä­tei­ne rie­si­ge Rol­le.

Du hast dort derzeit keine operative Funktion?

Nein, aber ich en­ga­gie­re mich stark in der di­gi­ta­len Neu­aus­rich­tung des Un­ter­neh­mens. Der­zeit be­fin­det sich Kroh­ne wie die meis­ten Un­ter­neh­men in­mit­ten der Aus­ein­an­der­set­zung mit den Aus­wir­kun­gen der Di­gi­ta­li­sie­rung auf un­ser Kern­ge­schäft. So wan­delt sich Kroh­ne ak­tu­ell von ei­nem hard­ware­ori­en­tier­ten zu ei­nem soft­ware­b­a­sier­ten Un­ter­neh­men. Das bringt ei­ni­ge span­nen­de Her­aus­for­de­run­gen mit sich, die ich im letz­ten Jahr aus der Per­spek­ti­ve des Bei­rats ver­fol­gen durf­te. Im Rah­men der Di­gi­ta­li­sie­rung muss je­des Un­ter­neh­men sein Nut­zen­ver­spre­chen an den Kun­den hin­ter­fra­gen. Wir wer­den zum Bei­spiel in Zu­kunft statt ei­nes Mess­ge­rä­tes eher die Ana­ly­tik aus den ge­won­ne­nen Da­ten ver­kau­fen. So ge­se­hen ver­än­dern sich Wert­schöp­fungs­ket­ten – bis hin zu kom­plett neu­en Ge­schäfts­mo­del­len. In­ter­es­san­ter­wei­se kom­men vie­le der Ver­än­de­rungs­trends aus dem Con­su­mer­be­reich und wir­ken jetzt in den klas­si­schen B2B-Markt hin­ein. Wer hier zu be­grenzt im Rah­men sei­nes bis­he­ri­gen Wert­schöp­fungs­mo­dells denkt, läuft Ge­fahr, die rich­ti­ge Wei­chen­stel­lung zu ver­pas­sen.

Das war eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werden des Unternehmens, oder?

Auf je­den Fall, aber auch mit der Zu­kunft des Un­ter­neh­mens. 2014 er­gab sich dann eine wei­te­re in­ter­es­san­te Ge­stal­tungs­auf­ga­be. Die Ge­sell­schaf­ter ha­ben die Go­ver­nan­ce der Fa­mi­lie neu auf­ge­stellt und die Next­Gen ein­ge­la­den, sich hier­an zu be­tei­li­gen. Der Schritt in eine post­pa­tri­ar­cha­li­sche Go­ver­nan­ce-Struk­tur war sehr in­ter­es­sant. Ge­mein­sam mit mei­nen Ge­schwis­tern und Cou­si­nen konn­te ich die Sicht­wei­se un­se­rer Ge­ne­ra­ti­on ein­brin­gen – auch hin­sicht­lich der Über­le­gun­gen, wie das Ver­hält­nis der Fa­mi­lie zum Un­ter­neh­men künf­tig aus­se­hen soll, wer wel­che Ge­stal­tungs­rech­te be­kommt und wel­che Kom­pe­ten­zen mit der Auf­ga­be des Ge­sell­schaf­ters ver­knüpft sein sol­len, da­mit je­der sei­ne Ver­ant­wor­tung in ad­äqua­ter Wei­se wahr­neh­men kann.

Du befindest dich mitten in einem Spannungsfeld von Erneuerung und Aufbruch. Welche Einsichten sind dabei neu entstanden?

Ich habe das Glück, in bei­den Wel­ten ak­tiv zu sein. Ich sehe, was es heißt, wenn ein über 95 Jah­re al­tes Un­ter­neh­men in die di­gi­ta­le Welt auf­bricht, und tau­sche mich mit an­de­ren Un­ter­neh­mern und Next­Gens aus, um die viel­fäl­ti­gen di­gi­ta­len Her­aus­for­de­run­gen der ein­zel­nen In­dus­tri­en bes­ser zu ver­ste­hen. Gleich­zei­tig bin ich sehr ak­tiv in der Grün­der­sze­ne und be­fas­se mich seit ei­ni­gen Jah­ren in­ten­siv mit Trends in der Di­gi­ta­li­sie­rung.

Mit diesem Wissen hast du letztes Jahr gemeinsam mit einem Co-Gründer La Famiglia auf Kiel gelegt. Was genau steckt dahinter?

Bei La Fa­miglia kom­men Mit­glie­der aus ei­ni­gen be­deu­ten­den Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men so­wie er­folg­rei­che Grün­der der di­gi­ta­len Welt zu­sam­men. Ge­mein­sam ha­ben wir ei­nen kla­ren Blick für die Her­aus­for­de­run­gen, die auf Un­ter­neh­men zu­kom­men, die noch in der al­ten, in­dus­tri­ell ge­präg­ten Welt ver­an­kert sind, und in­ves­tie­ren in der Früh­pha­se in die bes­ten jun­gen Un­ter­neh­men, die be­ste­hen­de Ge­schäfts­mo­del­le ver­än­dern oder neue di­gi­ta­le Ge­schäfts­mo­del­le und Platt­for­men ent­wi­ckeln. Für bei­de Sei­ten ha­ben wir jetzt eine Brü­cke ge­baut, sie ver­bin­det zum Bei­spiel eta­blier­te Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren mit Big Data Ana­ly­tics und Ma­chi­ne Learning.

Die be­tei­lig­ten Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mer be­kom­men Ein­blick in jene Di­gi­tal­t­rends, die das Ge­schäft von mor­gen prä­gen wer­den. Wir se­hen ei­nen Groß­teil der eu­ro­päi­schen Start-ups in der Früh­pha­se, kön­nen de­ren Ge­schäfts­mo­del­le durch­leuch­ten und ler­nen vor al­lem die Ma­cher ken­nen, fin­den her­aus, was die Teams an­treibt und wie kon­kret ihre Zie­le sind.

Ich sehe, was es heißt, wenn ein über 95 Jah­re al­tes Un­ter­neh­men in die di­gi­ta­le Welt auf­bricht, und tau­sche mich mit an­de­ren Un­ter­neh­mern und Next­Gens aus, um die viel­fäl­ti­gen di­gi­ta­len Her­aus­for­de­run­gen der ein­zel­nen In­dus­tri­en bes­ser zu ver­ste­hen.

Aber viele Familienunternehmen haben doch die Digitalisierung ohnehin schon auf der Agenda. Reicht das nicht aus?

Das lässt sich nicht ver­all­ge­mei­nern. Nach mei­ner Be­ob­ach­tung­reicht es oft nicht, wenn man das The­ma aus ei­ge­ner Kraft an­geht. Denn das dau­ert zu lan­ge und funk­tio­niert oft nicht. Wir ha­ben Zu­gang zu su­per­gu­ten Teams und Top-Un­ter­neh­men. Am Ende set­zen sich wie im­mer nur die Bes­ten durch. Da möch­ten wir früh da­bei sein.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 01/​2017.

KROHNE Messtechnik

Das Un­ter­neh­men wur­de 1921 von Lud­wig Kroh­ne in Duis­burg als Fer­ti­gungs­be­trieb für Schwe­be­kör­per-Durch­fluss­mess­ge­rä­te ge­grün­det. Un­ter der Füh­rung des der­zei­te­gen Fir­men­chefs Mi­cha­el Ra­de­ma­cher-Dub­bick hat sich KROH­NE von ei­nem Her­stel­ler von Mess­ge­rä­ten zu ei­nem Her­stel­ler und An­bie­ter von Lö­sun­gen der in­dus­tri­el­len Pro­zess­mess­tech­nik ent­wi­ckelt. Heu­te be­fin­det es sich im Über­gang von der 4. auf die 5. In­ha­ber­ge­ne­ra­ti­on und er­wirt­schaf­tet mit 3.600 Mit­ar­bei­tern welt­weit ei­nen Jah­res­um­satz von 520 Mio. Euro. Un­se­re Ge­sprächs­part­ne­rin Dr. Jea­net­te Er­brpin­zes­sin zu Fürs­ten­berg (35) hat als Mit­glied der fünf­ten Ge­ne­ra­ti­on der In­ha­ber­fa­mi­lie ei­nen Sitz im Bei­rat.  

NextGen: Dr. Jeanette zu Fürstenberg, 35 Jahre, 5. Generation
Unternehmen: Krohne Messtechnik, 520 Mio. EUR Jahresumsatz, 3.600 Mitarbeiter
Position: Mitglied des Beirats
Story: engagiert sich in der digitalen Neuausrichtung des Unternehmens, bringt als Mitbegründerin des La Famiglia Venture-Capital-Fonds Mitglieder aus bedeutenden Familienunternehmen mit der digitalen Gründerszene zusammen