Akzeptanz von Beiräten steigt

Ak­zep­tanz von Bei­rä­ten steigt Ergebnisse einer aktuellen Befragung von Familienunternehmen zur Praxis von Beiräten und Aufsichtsräten von Christina Müller Dass Bei­rä­te ein zen­tra­les Ele­ment gu­ter Go­ver­nan­ce in Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men sind, ist land­läu­fig be­kannt. Wie eine ak­tu­el­le Be­fra­gung der IN­TES Aka­de­mie für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men und von PwC un­ter knapp 250 Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men im deutsch­spra­chi­gen Raum zeigt, wol­len im­mer mehr … Weiterlesen

Ak­zep­tanz von Bei­rä­ten steigt

Ergebnisse einer aktuellen Befragung von Familienunternehmen zur Praxis von Beiräten und Aufsichtsräten

von Christina Müller

Dass Bei­rä­te ein zen­tra­les Ele­ment gu­ter Go­ver­nan­ce in Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men sind, ist land­läu­fig be­kannt. Wie eine ak­tu­el­le Be­fra­gung der IN­TES Aka­de­mie für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men und von PwC un­ter knapp 250 Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men im deutsch­spra­chi­gen Raum zeigt, wol­len im­mer mehr Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men und Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en – mitt­ler­wei­le 83 Pro­zent – auf die Ex­per­ti­se ei­nes ex­ter­nen Be­ra­tungs- und/​oder kon­trol­lie­rend tä­ti­gen Gre­mi­ums in Form ei­nes Bei­rats, Auf­sichts­rats oder Ver­wal­tungs­rats nicht mehr ver­zich­ten. Und da­bei soll es nicht blei­ben „9 Pro­zent pla­nen, in ab­seh­ba­rer Zu­kunft ein Gre­mi­en ein­zu­rich­ten. Mei­ner Be­ob­ach­tung nach ge­hen im­mer mehr Un­ter­neh­mer schon die Ein­rich­tung pro­fes­sio­nell an. Da­durch le­gen sie die Ba­sis für gute Bei­rats­ar­beit“, sagt Dr. Alex­an­der Ko­eber­le-Schmid von PwC, der bei der Ein­rich­tung und Wei­ter­ent­wick­lung von Be­rä­ten be­rät. 2002 lag der An­teil von Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men mit Bei­rat, Auf­sichts­rat oder Ver­wal­tungs­rat* ge­ra­de ein­mal bei 39 Pro­zent. Doch der Trend kennt seit­dem nur eine Rich­tung: nach oben.

Nicht nur die Quan­ti­tät der Bei­rä­te hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ste­tig er­höht. Auch die Qua­li­tät der Gre­mi­en hat sich ver­bes­sert. Das lässt sich an vie­len Stel­len be­ob­ach­ten:

  • Auswahl von Beiratsmitgliedern: Die fachliche Kompetenz steht bei der Auswahl der Beiräte an oberster Stelle. Das gilt für externe Mitglieder (92 Prozent) wie für Gesellschafter aus der Familie(66 Prozent) gleichermaßen, wenngleich in etwas geringerem Umfang. 
  • Kompetenzspektrum: Beiräte sind mit Experten aus breit gefächerten Disziplinen besetzt. Kaufmännisches und strategisches Know-how sind am meisten gefragt (93 bzw. 88 Prozent), Fachwissen, etwa zu Produktion (63 Prozent) und Marketing (58 Prozent), steht ebenfalls hoch im Kurs. Auch Transaktions-, Innovations- und Digitalisierungswissen gewinnen an Bedeutung.
  • Zusammensetzung des Beirats: 54 Prozent der Beiräte (und Aufsichtsräte) sind u.a. mit Frauen besetzt. 2013 lag die Frauenquote gerade einmal bei 10 Prozent. Damit übertrifft der Frauenanteil die seit Mai 2015 gesetzlich geregelte Quote von 30 Prozent in den Gremien börsennotierter Unternehmen oder solcher, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Frauen sind in Beiräten mit 56 Prozent sogar häufiger vertreten als in Aufsichtsräten (50 Prozent). Es geht auch ohne Quote.
  • Rolle der Familie als Kontrollorgan: In 81 Prozent der Beiräte vertreten Familienmitglieder die Interessen der Gesellschafter im Gremium. Damit bilden sie ein Gegengewicht zu der zunehmend mit Fremdmanagern besetzten Geschäftsführung, auf die mittlerweile 85 Prozent der Familienunternehmen vertrauen (2013: 74 Prozent). Gesunken ist dagegen der Anteil an Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Bankern, die aufgrund ihrer langjährigen Vertrauensrolle potenziellen Interessenkonflikten unterliegen. Der Anteil an Unternehmensberatern ist von 18 auf 22 Prozent gestiegen. So sichern sich Gesellschafter dauerhafte Kompetenz von Experten, die mit externem Know-how, Trends und Best Practices aus anderen Unternehmen die Arbeit bereichern können.
  • Rechtliche Basis: Drei Viertel der deutschsprachigen Familienunternehmer legen im Gesellschaftsvertrag die rechtlichen Grundlagen für die Tätigkeit des Beirats. Die innere Ordnung,die Arbeitsabläufe sowie die Rechte und Pflichten des Beirats halten 72 Prozent in einer Beiratssatzung/-ordnung und/oder in einem Beiratsvertrag fest.
  • Sicherstellung notwendiger Kompetenzen für aktuelle Trends:Die Hälfte (49 Prozent) der Familienunternehmen holen transformations- bzw. mit der Digitalisierung erfahrene Experten in den Beirat, 46 Prozent stellen mithilfe von Schulungen die Weiterbildung ihrer Beiräte sicher. Ein Drittel nutzt Impulse von Spezialisten, die als Gäste an Sitzungen teilnehmen.
Balekndigramme zum Anteil der Familienunternehmen mit Beirat sowie der Kompetenzen, über die diese Beiräte aktuell verfügen.

Mehr Auf­ga­ben, mehr Ver­ant­wor­tung

Für die stei­gen­de Be­deu­tung und Pro­fes­sio­na­li­tät von Bei­rä­ten gibt es gute Grün­de: Die Auf­ga­ben des Bei­rats sind deut­lich viel­fäl­ti­ger, um­fang­rei­cher und kom­ple­xer ge­wor­den. Ne­ben der Be­ra­tung der Ge­schäfts­füh­rung in stra­te­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen (91 Pro­zent) übt der Bei­rat Ein­fluss auf die stra­te­gi­sche Aus­rich­tung des Un­ter­neh­mens aus (82 Pro­zent), kon­trol­liert die Ge­schäfts­füh­rung (81 Pro­zent) und ge­neh­migt wich­ti­ge In­ves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen (79 Pro­zent). Da­mit über­nimmt er auf­sichts­rats­ähn­li­che Auf­ga­ben. Das ist noch­mals eine deut­li­che Stei­ge­rung ge­gen­über 2002, 2008 und 2013. Da­mals wur­den 45 Pro­zent 2002), knapp 60 Pro­zent (2008) bzw. 73 Pro­zent der Bei­rä­te mit Auf­sichts­funk­tio­nen be­traut.

Gu­ter Rat ist teu(r)er

Die brei­te­re Kom­pe­tenz und Ver­ant­wor­tung spie­gelt sich auch in der Ver­gü­tungs­struk­tur wi­der: Or­dent­li­che Bei­rats­mit­glie­der er­hal­ten im Durch­schnitt zwi­schen­zeit­lich im­mer­hin zwi­schen 10.000 und 20.000 Euro. Knapp die Hälf­te der Ge­sell­schaf­ter ver­gü­ten ihre Bei­rats­mit­glie­der mit mehr als 20.000 Euro. Noch im­mer be­die­nen aber auch über 25 Pro­zent der be­frag­ten Un­ter­neh­men ihre Bei­rä­te mit we­ni­ger als 10.000 Euro im Jahr, was nicht wirk­lich zu den stän­dig stei­gen­den An­for­de­run­gen an Bei­rä­te zu pas­sen scheint. We­nig über­ra­schend wer­den Stell­ver­tre­ter und Vor­sit­zen­de hö­her ent­lohnt: mit durch­schnitt­lich 25.000 bzw. 40.000 Euro pro Jahr. Ein Vier­tel der Vor­sit­zen­den er­hält so­gar mehr als 50.000 Euro.

Bei­rat ist sein Geld wert

Der Auf­wand lohnt, wie die Zu­frie­den­heit der Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men mit der Bei­rats­ar­beit zeigt: 83 Pro­zent sind (sehr) zu­frie­den und wei­te­re 64 Pro­zent sind über­zeugt, dass der Bei­rat ei­nen po­si­ti­ven Bei­trag zum Un­ter­neh­mens­er­folg lie­fert. „Der Er­folg ei­nes Bei­ra­tes steht und fällt mit sei­nen Mit­glie­dern. Die Per­sön­lich­kei­ten ma­chen den Un­ter­schied“, sagt Ge­rold Rie­der, Ge­schäfts­füh­rer der IN­TES Aka­de­mie für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men. „Bei­rä­te mit den pas­sen­den Mit­glie­dern sind er­folg­rei­cher.“

Balkendiagramme zu den Aufgaben von Beiräten sowie der Vergütungsstruktur von Beiratsmitgliedern

Pro­fes­sio­na­li­tät, aber noch Luft nach oben

Der in ver­gan­ge­nen Stu­di­en be­ob­acht­ba­re Trend zur Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Bei­rats­ar­beit in deutsch­spra­chi­gen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men setzt sich fort. Um die Bei­rats­ar­beit noch ef­fek­ti­ver zu ge­stal­ten und für die Zu­kunft zu rüs­ten, lohnt es sich, an der Wei­ter­ent­wick­lung zu ar­bei­ten. Spiel­raum gibt es ins­be­son­de­re in die­sen Be­rei­chen:

  • Governance: In fast einem Drittel (29 Prozent) der Familienunternehmen übernimmt die Familie den Vorsitz im Beirat und in der Geschäftsführung und kontrolliert sich damit selbst. „Um Spannungen in der Familie zu vermeiden, hat es sich als Good Governance erwiesen, den Vorsitz eines der beiden Organe an einen Familienfremden zu vergeben. So lassen sich Entscheidungen objektivieren und Interessenkonflikte vermeiden“, rät Beiratsexperte Alexander Koeberle-Schmid.
  • Qualifikation der Familienmitglieder: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der familieninternen Beiratsmitglieder wird aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit in das Gremium gewählt. Aber nur ein Drittel der Familienunternehmen erwartet von ihren familieninternen Beiräten nachgewiesene Erfahrung in der Unternehmensführung und -kontrolle, bei einem Viertel müssen Familienmitglieder keine Qualifikationskriterien erfüllen. Sinnvoll wäre es, klare Qualifikationskriterien auch für familieninterne Beiratsmitglieder festzulegen.
  • Auswahl der Beiratsmitglieder: Um Beiräte zu gewinnen, vertrauen 80 Prozent auf ihr eigenes Netzwerk. Experten für die vielfältigen Herausforderungen am Markt finden sich jedoch häufig außerhalb des Bekanntenkreises. Daher binden 37 Prozent externe Dienstleister bei der Suche ein. Sie sind aber noch in der Minderheit. Auch dies korreliert offensichtlich nicht mit den steigenden Qualifikationsansprüchen an die Persönlichkeiten. 
  • Entscheidungsspielräume für die Beiratsarbeit: Nur jeder zehnte Beirat verfügt über ein eigenes Budget. Dieses kann helfen, eigene Untersuchungen in Auftrag zu geben, Experten einzubinden, Entwicklungen voranzutreiben und eine effektivere Kontrolle möglich zu machen. 
  • Evaluation der Beiratsarbeit: Mehr als 50 Prozent der Familienunternehmen werten die Effektivität der Beiratsarbeit nicht regelmäßig aus, erst in jedem fünften Unternehmen übernehmen die Gesellschafter die Beurteilung ihres Kontrollgremiums. Das überrascht, schließlich ist es in drei Viertel der Familienunternehmen zentrale Aufgabe der Beiräte, die Interessen der Eigentümer im Gremium zu vertreten. 
  • Aktualisierung der Beiratskompetenz: Gerade einmal 27 Prozent der Beiräte verfügen über ausgewiesene Kompetenzen bei der Digitalisierung; in nur 15 Prozent sind Mitglieder der nachfolgenden Unternehmergeneration (NextGens) eingebunden; die aktuelle Dauer der Mandate liegt bei durchschnittlich zehn Jahren. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Kompetenzen im Beirat nicht ähnlich schnell verändern wie die Anforderungen des Marktes. “Eine Verjüngung des Gremiums wäre ebenso zielführend wie eine zeitgemäße Erweiterung der Erfahrungen und Kompetenzen in den Beiratsgremien. Nur dann können sie wichtige Impulse für neue Geschäftsmodelle, digitale Technologien und Nachhaltigkeitsthemen sowie einen frischen Blick auf das Unternehmen geben. Know-how für die digitale Transformation können erfahrene Unternehmer- und Geschäftsführerpersönlichkeiten mitbringen, die ihre eigenen Familienunternehmen bereits ein Stück weit durch die digitale Transformation geleitet haben. Auch Start-up-Unternehmer können wichtige Impulse geben. Diese finden sich aber bisher nur in 3 Prozent der Gremien. Optimistisch stimmt, dass fast ein Drittel der Familienunternehmer Start-ups und andere Experten als Gäste zu Gremiensitzungen einladen. Für die Auswahl neuer Beiratsmitglieder empfehlen sich standardisierte Prozesse, über die aber erst 16 Prozent der Familienunternehmen verfügen. Bei Familienmitgliedern werden mit 19 Prozent kaum häufiger standardisierte Auswahlprozesse verwendet.

Viel hat sich ge­tan in der Bei­rats­ar­beit von Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men. Jetzt ist eine gute Zeit, die Bei­rats­ar­beit wei­ter vor­an­zu­trei­ben. 

AK­TU­EL­LE BEI­RATS­STU­DIE (2021)

Die IN­TES Aka­de­mie für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men und PwC ha­ben be­reits 2013 eine em­pi­ri­sche Er­he­bung zu Bei­rä­ten in Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ver­öf­fent­licht. Wie sich die Pra­xis von Bei­rä­ten und Auf­sichts­rä­ten seit­her ver­än­dert hat, ha­ben wir Ende 2020 er­neut im Rah­men ei­ner Be­fra­gung von knapp 250 Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men im deutsch­spra­chi­gen Raum un­ter­sucht.Die Er­he­bung be­inhal­tet u.a. Fra­gen der Zu­sam­men­set­zung, Auf­ga­ben und Kom­pe­ten­zen so­wie Ver­gü­tung von Bei­rats- bzw. Auf­sichts­rats­mit­glie­dern.

*Im Fol­gen­den wird, so­weit nicht wei­ter aus­ge­führt, das Be­ra­tungs- bzw. Kon­troll­gre­mi­um in Form ei­nes Auf­sichts­rats, Ver­wal­tungs­rats oder Bei­rats als „Bei­rat“ be­zeich­net.

Der Text ist im IN­TES – Un­ter­neh­mer­Brief Aus­ga­be 02/​2020 erschienen.

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