Der Fremdmanager geht, die Familie kommt

Der Schritt, einen externen CEO zu berufen, ist sehr verbreitet. Aber es gibt auch einen Weg zurück, wie die Bossard AG und andere Familienunternehmen zeigen.  Von Axel Glo­ger* Ha­ni­el wird schon seit vie­len Jah­ren von ei­nem fa­mi­li­en­frem­den CEO ge­führt, eben­so die Keks­mar­ke Gries­son-de Beu­kela­er. Dr. Oet­ker ist seit 2016 nach Ge­ne­ra­tio­nen fa­mi­liä­rer Füh­rung erst­mals mit … Weiterlesen

Der Schritt, einen externen CEO zu berufen, ist sehr verbreitet. Aber es gibt auch einen Weg zurück, wie die Bossard AG und andere Familienunternehmen zeigen. 

Von Axel Glo­ger*

Ha­ni­el wird schon seit vie­len Jah­ren von ei­nem fa­mi­li­en­frem­den CEO ge­führt, eben­so die Keks­mar­ke Gries­son-de Beu­kela­er. Dr. Oet­ker ist seit 2016 nach Ge­ne­ra­tio­nen fa­mi­liä­rer Füh­rung erst­mals mit ei­nem Fa­mi­li­en­frem­den an der Spit­ze un­ter­wegs, eben­so Bohr­ham­mer-Her­stel­ler Hil­ti und seit Kur­zem auch die Wurst­mar­ke Rü­gen­wal­der Müh­le, die mit dem Wech­sel zur sieb­ten Ge­ne­ra­ti­on An­fang des Jah­res auf die­ses For­mat um­stell­te.

Erst führt die Fa­mi­lie, dann folgt der Über­gang, Fa­mi­li­en­frem­de wer­den in das Spit­zen­amt ge­ho­ben – das scheint ein Ent­wick­lungs­schritt zu sein, der weit ver­brei­tet ist. Die Grün­de da­für sind ganz un­ter­schied­lich. Mal kommt die Fa­mi­lie bei der Fra­ge „Wer ist der bes­te Kan­di­dat für die Fir­men­spit­ze?“ nicht zum Zuge, weil Wil­li­ge und Fä­hi­ge aus dem ei­ge­nen Kreis feh­len, mal ist es eine Selbst­re­gu­lie­rung: Um Neid und Ei­fer­sucht zu un­ter­bin­den, ver­pflich­ten sich vie­le gro­ße und alte Clans be­wusst, die Fa­mi­lie im Sin­ne gu­ter Go­ver­nan­ce aus dem Ope­ra­ti­ven her­aus­zu­hal­ten.

Aus dem Fremd­ma­nage­ment gibt es im­mer auch ei­nen Weg zu­rück.

Prof. Dr. Peter May

Weit we­ni­ger dis­ku­tiert ist die Ge­gen­rich­tung: Der Fremd­ma­na­ger geht, die Fa­mi­lie kommt zu­rück. Das ist etwa beim Cho­co­la­tier Lä­derach der Fall. Nach ei­ner 14-jäh­ri­gen Über­g­angs­pe­ri­ode steht wie­der ein Na­mens­trä­ger zur Ver­fü­gung: Im März 2018 rück­te Jo­han­nes Lä­derach in das Spit­zen­amt auf. Auch beim Frucht­gum­mi­her­stel­ler Kat­jes-Fas­sin war das so: Als In­ha­ber Klaus Fas­sin auf­hö­ren woll­te, hat­te sein Sohn Bas­ti­an Fas­sin ge­ra­de sein Ab­itur in der Ta­sche – zu jung für die Rol­le an der Spit­ze. Der Va­ter gab ihm die Zeit für Aus­bil­dung und Be­wäh­rung, be­rief ei­nen Fa­mi­li­en ex­ter­nen in die Ge­schäfts­füh­rung, der das Haus so lan­ge be­stell­te, bis der Fi­li­us 2004 für die Nach­fol­ge be­reit war. Seit­her ist das Fa­mi­li­en­mit­glied Co-CEO von To­bi­as Bach­mül­ler, dem Fa­mi­li­en­frem­den.

Die­se Fäl­le aus der Pra­xis zei­gen: Das von man­cher In­ha­ber­fa­mi­lie ge­fürch­te­te For­mat „ein­mal Fremd­ma­nage­ment – im­mer Fremd­ma­nage­ment“ gibt es in der Form nicht. Der Weg zur Füh­rung durch Fa­mi­li­en­ex­ter­ne ist, wie die Bei­spie­le be­le­gen, kei­ne Ein­bahn­stra­ße. „Es gibt im­mer ei­nen Weg zu­rück“, sagt IN­TES-Grün­der Pe­ter May, „die Ein­sicht, dass Fremd­ma­nage­ment ein re­ver­si­bles Ele­ment un­ter­neh­me­ri­scher Ge­stal­tung ist, soll­te je­der Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie be­wusst sein.“

Foto von Daniel Bossard, CEO Bossard Group

Mit­glie­der der Fa­mi­lie ha­ben kei­nen au­to­ma­ti­schen An­spruch auf ein Spit­zen­amt.

Daniel Bossard

Auch Bos­sard nutzt die­se Idee. Dort wur­de ge­ra­de die Rück­kehr der Fa­mi­lie an die ope­ra­ti­ve Fir­men­spit­ze ein­ge­lei­tet – als durch­dach­ter und gründ­lich vor­be­rei­te­ter Pro­zess: An­fang des Jah­res ga­ben die Fa­mi­lie und die Bos­sard-Grup­pe be­kannt, dass Da­ni­el Bos­sard als Fa­mi­li­en­mit­glied der sieb­ten Ge­ne­ra­ti­on die Lei­tung des Zu­ger Un­ter­neh­mens über­nimmt. Um­ge­setzt wird die­ser Be­schluss im April 2019 – ge­nug Zeit, dass sich alle Sta­ke­hol­der auf den Wech­sel ein­stel­len kön­nen. Zum glei­chen Zeit­punkt wird Da­vid Dean, der über 15 Jah­re be­währ­te ex­ter­ne CEO des Ver­bin­dungs­tech­nik-An­bie­ters, in den Ver­wal­tungs­rat wech­seln.

Aus­lö­ser die­ser Ent­wick­lung war ein An­stoß von au­ßer­halb der Fa­mi­lie. „Un­ser CEO, heu­te 59, hat dar­um ge­be­ten, sein En­ga­ge­ment nicht über 2019 hin­aus zu ver­län­gern“, sagt der de­si­gnier­te Fir­men­chef. „Das hat uns zu­nächst über­rascht. Jetzt nut­zen wir den Im­puls als Chan­ce.“

So rich­tig be­reit für den Wech­sel war Bos­sard ju­ni­or ei­gent­lich noch nicht, als ihn die Nach­richt von De­ans De­mis­si­on er­reich­te, hat­ten doch alle da­mit ge­rech­net, dass der be­währ­te CEO noch eine Amts­zeit wei­ter­macht. Aber in­halt­lich vor­be­rei­tet ist Da­ni­el Bos­sard reich­lich – er wirk­te be­reits seit der Jahr­tau­send­wen­de im Un­ter­neh­men, un­ter an­de­rem als Ge­schäfts­füh­rer des Dä­ne­mark-Ge­schäfts, Ver­kaufs­stra­te­ge und zu­letzt seit 2009 als Lei­ter der Re­gi­on Nord- und Ost­eu­ro­pa.

Das mach­te ihn zum Kan­di­da­ten für das Amt des Fir­men­chefs – wo­mit er Teil des Aus­wahl­ver­fah­rens wur­de, das der Ver­wal­tungs­rat (VR) durch­führ­te. Die­sem Gre­mi­um ob­lag, dem Firm-First-Ge­dan­ken fol­gend ei­nen neu­en Fir­men­chef zu kü­ren. „Wir ha­ben hier ei­nen ho­hen An­spruch pro­fes­sio­nel­ler Go­ver­nan­ce. In der Fa­mi­li­en­char­ta ist fest­ge­hal­ten, dass Mit­glie­der der Fa­mi­lie kei­nen au­to­ma­ti­schen An­spruch auf ein Spit­zen­amt ha­ben“, sagt Bos­sard. Der VR, mit nicht ope­ra­tiv tä­ti­gen Fa­mi­li­en­mit­glie­dern und Ex­ter­nen be­setzt, be­gab sich zu­nächst auf Kan­di­da­ten­schau. Es wur­den so­wohl Fa­mi­li­en­frem­de als auch Fa­mi­li­en­mit­glie­der auf eine Lon­glist mög­li­cher Amts­nach­fol­ger ge­setzt. Das ge­bie­tet der An­spruch pro­fes­sio­nel­ler Su­che, Aus­wahl und Be­set­zung. Ein Fa­mi­li­en­mit­glied wink­te schon im Vor­feld ab – kein In­ter­es­se. Da­ni­el Bos­sard stand als Ein­zi­ger aus der Fa­mi­lie auf der Lis­te.

ÜBER­ZEU­GEN­DE LO­GIK DES HAR­TEN AUS­WAHL­VER­FAH­RENS

Er durch­lief das vom VR in­stal­lier­te Aus­wahl­ver­fah­ren, den­sel­ben Pro­zess, dem sich auch die ex­ter­nen Kan­di­da­ten stel­len muss­ten. Ein Per­so­nal­be­ra­ter check­te Vita und Kom­pe­ten­zen, führ­te als neu­tra­le Stim­me ein As­sess­ment durch. Im An­schluss wur­de Bos­sard durch den Auf­sichts­rat ge­grillt: „Ich habe eine drei­stün­di­ge Prä­sen­ta­ti­on mit Dis­kus­si­on zum The­ma ‚Bos­sard 2025‘ ge­hal­ten.“ Bei ei­nem zwei­ten An­lass wur­de im glei­chen Rah­men ein In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­the­ma mit dem Kan­di­da­ten dis­ku­tiert. So­dann folg­te ein For­mat, das Bos­sard „hei­ßer Stuhl“ nennt. Über zwei bis drei Stun­den be­ant­wor­te­te er Fra­gen zu Per­son, Mo­ti­va­ti­on und Wert­hal­tung.

Ein Spa­zier­gang war das nicht – der VR schick­te alle Kan­di­da­ten über eine har­te Prüf­stre­cke. „An­fangs fand ich es läs­tig. Ich dach­te: War­um das al­les? Die VR-Mit­glie­der ken­nen mich doch aus mei­ner lang­jäh­ri­gen Mit­ar­beit in der Li­nie“, sagt der heu­te 48-Jäh­ri­ge im Rück­blick. Erst im Nach­hin­ein sei ihm klar ge­wor­den, wie sinn­haft das Ver­fah­ren aus der Sicht der Fir­ma war. „Ich kann jetzt mit gu­tem Ge­wis­sen sa­gen, dass ich die pro­fes­sio­nel­len An­for­de­rungs­kri­te­ri­en er­fül­le.“ Das gibt dem Nach­fol­ger aus der Fa­mi­lie Si­cher­heit, auch in der Kom­mu­ni­ka­ti­on nach au­ßen. Zu­dem schützt es das Un­ter­neh­men vor Ge­re­de und Ge­rüch­ten. Mit dem har­ten Aus­wahl­pro­zess ist all je­nen der Wind aus den Se­geln ge­nom­men, die sonst ge­sagt hät­ten: Ach, der Nach­fol­ger aus dem Kreis der Fa­mi­lie, das sei doch oh­ne­hin klar ge­we­sen. Die Bos­sard AG ist seit 1987 an der Bör­se – und ex­ter­ne Ak­tio­nä­re wis­sen es zu schät­zen, wenn die obers­te Füh­rung mit dem Bes­ten be­setzt wird, frei von Sen­ti­men­ta­li­tä­ten der Fa­mi­lie ge­gen­über dem Un­ter­neh­men.

Icon: händeschüttelnde liegende Acht

FA­MI­LI­EN­MIT­GLIED-CEO VER­MEHRT DAS VER­TRAU­EN

Der lan­ge Vor­lauf bis zum An­tritt gibt Da­ni­el Bos­sard wie auch dem ge­sam­ten Un­ter­neh­men die Ge­le­gen­heit, sich auf den Wech­sel ein­zu­stel­len. „Das ist eine Über­g­angs­pha­se. Ich nut­ze die Ge­le­gen­heit, hier und da noch da­zu­zu­ler­nen“, sagt der de­si­gnier­te Fir­men­chef aus der Fa­mi­lie. Er sieht den Wech­sel auch als Chan­ce für das in­ter­na­tio­nal wach­sen­de Un­ter­neh­men. „Ein Fa­mi­li­en­mit­glied an der Spit­ze ist ein star­kes State­ment.“ Da kom­me ei­ner, für den der Ein­satz nicht, wie in man­chem an­de­ren Un­ter­neh­men, eine ma­xi­mal fünf Jah­re an­dau­ern­de Ein­mal­an­ge­le­gen­heit ei­nes lei­ten­den An­ge­stell­ten sei. „Ganz im Ge­gen­teil, das ist eine sehr lang­fris­ti­ge Sa­che mit Strahl­kraft.“

Ge­gen­über den Kun­den schaf­fe das Fa­mi­li­en­mit­glied an der Spit­ze zu­sätz­li­ches Ver­trau­en­s­ka­pi­tal. Hin und wie­der kön­ne das auch Tü­ren öff­nen, wenn sich der Na­mens­trä­ger per­sön­lich küm­mer­te. Schon heu­te, noch vor dem Wech­sel, sei der Zu­wachs an Wert­schät­zung er­kenn­bar. „In Ost­eu­ro­pa so­wie im asia­ti­schen Raum ist die Rol­le des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mers wich­tig. Be­son­ders in In­di­en wird es sehr ge­schätzt, wenn sich ein In­ha­ber-Un­ter­neh­mer per­sön­lich ein­setzt“, sagt Da­ni­el Bos­sard.

*Axel Glo­ger ist Wirt­schafts­jour­na­list und schreibt u.a. für den IN­TES Un­ter­neh­mer­Brief.

stilisierte Darstellung eines Fabrikgebäudes

DAS UN­TER­NEH­MEN BOS­SARD AG

Bos­sard wur­de im Jahr 1831 als Ei­sen­hand­lung von Jo­hann Franz Kas­par Bos­sard in Zug ge­grün­det, wo das Un­ter­neh­men bis heu­te sei­nen Haupt­sitz hat. Sein Ge­schäft ist in­dus­tri­el­le Ver­bin­dungs­tech­nik (z.B. Schrau­ben, Dü­bel und Nie­ten) mit den da­zu­ge­hö­ri­gen Lo­gis­tik- und En­gi­nee­ring­leis­tun­gen für die Kun­den. Um­satz: 786 Mio. CHF. Mit­ar­bei­ter­zahl: 2.300 welt­weit.

  • Heute sind drei Angehörige der 7. Generation im Unternehmen tätig. Daniel Bossard, geboren 1970, wird im April nächsten Jahres sein Amt als CEO antreten. Die Familie umfasst 41 Mitglieder, die 21 Teilhaber aus deren Kreis sind mit einem Anteil von 17 Prozent der Ankeraktionär und haben 51 Prozent der Stimmrechte. Das Unternehmen ist seit dem Jahr 1987 börsennotiert, 83 Prozent der Anteile befinden sich im Freefloat.
  • Das Unternehmen wurde ab 2004 von einem familienfremden Spitzenmanager geführt. Dem vorausgegangen waren zwei für Familie wie Unternehmen gleichermaßen tragische Ereignisse. 2001 kam Verwaltungsratspräsident Peter Bossard, damals 63, bei einem Attentat im Zuger Kantonsparlament ums Leben. Nur drei Jahre später wurde sein Bruder, und CEO Heinrich Bossard, damals 61, auf einer Ferienreise in Neuseeland Opfer des Absturzes eines Kleinflugzeugs.

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