Fremdmanager im Familienunternehmen – Chef und Knecht zugleich

Was macht eigentlich ein Familienunternehmen für einen konzernerprobten, erfolgreichen Manager attraktiv? Für Ralph P. Siegl, langjähriger CEO des Schweizer Chocolatiers Läderach, sind es viele Aspekte. Bei Lä­derach fehl­te ein Nach­fol­ger aus der Fa­mi­lie. Se­ni­or Jürg Lä­derach woll­te aus der Rol­le des ope­ra­ti­ven Ge­schäfts­füh­rers her­aus und in den Vor­sitz des Ver­wal­tungs­rats wech­seln. Das ge­lang dem Un­ter­neh­mer … Weiterlesen

Was macht eigentlich ein Familienunternehmen für einen konzernerprobten, erfolgreichen Manager attraktiv? Für Ralph P. Siegl, langjähriger CEO des Schweizer Chocolatiers Läderach, sind es viele Aspekte.

Bei Lä­derach fehl­te ein Nach­fol­ger aus der Fa­mi­lie. Se­ni­or Jürg Lä­derach woll­te aus der Rol­le des ope­ra­ti­ven Ge­schäfts­füh­rers her­aus und in den Vor­sitz des Ver­wal­tungs­rats wech­seln. Das ge­lang dem Un­ter­neh­mer des 1962 ge­grün­de­ten Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens, in­dem er ei­nen Fa­mi­li­en­frem­den für das Amt an der Fir­men­spit­ze ge­wann: Ralph P. Siegl. Die­ser hat­te ei­nen er­folg­rei­chen Weg bei ei­nem Food-Mul­ti hin­ter sich – und stieg vor zwölf Jah­ren bei der hand­werks­ge­präg­ten Pra­liné- und Scho­ko­la­den­mar­ke Lä­derach ein. Im Ge­spräch mit dem „Un­ter­neh­mer­Brief“ be­rich­tet Siegl, wie er das Ge­schäft des Schwei­zer Tra­di­ti­ons­hau­ses wei­ter­ent­wi­ckel­te, was er beim Um­gang mit der In­ha­ber­fa­mi­lie lern­te – und wel­che Fall­stri­cke ein CEO, der von au­ßen kommt, auf je­den Fall be­ach­ten soll­te. Im Früh­jahr 2018 be­en­de­te Siegl plan­mä­ßig sei­nen Ein­satz, ein Mit­glied der Fa­mi­lie Lä­derach aus der drit­ten Ge­ne­ra­ti­on führt seit­her die Ge­schäf­te.

Herr Siegl, Sie kamen aus einem Großkonzern und stiegen dann um. Ihr neues Wirkungsfeld wurde ein Familienunternehmen, der Umsatz ein Promille so groß wie der des Multis. Worüber haben Sie beim Umstieg gestaunt?

RALPH P. SIEGL: Über die Viel­falt in die­sem Kos­mos des Cho­co­la­tiers Lä­derach. Das emp­fand ich gleich beim ers­ten Blick als un­ge­heu­er span­nend und di­vers. In mei­nem Vor­le­ben war ich in der Rol­le des Kor­po­rals. Am neu­en Ort wur­de ich un­ter­neh­me­ri­scher Ma­na­ger. Es gab kei­ne prä­for­ma­tier­ten Pro­zes­se, kei­ne vor­ge­ge­be­nen Best Prac­tices, kei­ne Hor­den von Con­trol­lern, die ei­nem je­den Tag sa­gen, wie das Le­ben zu sein hat. Ich habe das als sehr frei­heit­lich emp­fun­den, schließ­lich war das auch ge­nau das, was ich woll­te: nicht mehr Stun­den und Tage mit In­nen­po­li­tik des Kon­zerns ver­brin­gen, son­dern mehr Pul­ver­dampf rie­chen – eben die ty­pi­sche Welt des Ei­gen­tü­mer-Un­ter­neh­mens mit­le­ben und -ge­stal­ten.

„Im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ist der CEO Chef und Knecht zu­gleich.“

Läderach war zuvor während zweier Generationen von einem Mitglied der Familie Läderach geführt worden. Wie kam es zur Umstellung des Führungsformats?

Der Un­ter­neh­mer hat sechs Kin­der. Der äl­tes­te Sohn, Jo­han­nes Lä­derach, war da­mals 19 Jah­re alt, also de­fi­ni­tiv noch zu jung für den Schritt an die Fir­men­spit­ze. Des­halb sah sich der Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mer auf dem ex­ter­nen Markt nach ei­nem CEO um, den er in das Amt so lan­ge ein­set­zen konn­te, bis sich ein Mit­glied der drit­ten Ge­ne­ra­ti­on für die Ver­ant­wor­tung emp­fiehlt.

Choco-Atelier, Läderach AG
Choco-Atelier. Foto: Läderach AG

Blicken wir kurz auf Ihren Einstieg: Wie haben Sie es als Konzernmann geschafft, sich auf die Gegebenheiten des Familienunternehmens einzustellen?

Im Rück­blick wür­de ich sa­gen: Das Wich­tigs­te ist De­mut – und zwar auf bei­den Sei­ten. Als Neu­an­kömm­ling soll­te man mit sehr viel Re­spekt vor den Vor­gän­gern rein­ge­hen. Das be­deu­tet vor al­lem am An­fang: sehr viel zu­hö­ren. Mehr Fra­gen stel­len, als schnel­le Ant­wor­ten ge­ben. Es geht dar­um, den Sinn und das War­um auf­sei­ten der Ei­gen­tü­mer her­aus­zu­fin­den. Man braucht Ant­wor­ten auf zwei Schlüs­sel­fra­gen: „Was sind die Wer­te der Fa­mi­lie?“ und: „Was treibt die Fa­mi­lie an?“ Das spielt sich al­les jen­seits von Um­satz- und Ren­di­te­zie­len ab. Na­tür­lich müs­sen auch im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men am Ende die Zah­len stim­men. Aber man muss als Fremd­ma­na­ger pri­mär her­aus­fin­den, was die nicht­öko­no­mi­schen Zie­le der Fa­mi­lie sind.

Wie haben Sie das praktisch umgesetzt?

Wich­tig wa­ren die Ge­sprä­che in un­ter­schied­li­chen Set­tings. Das ging teil­wei­se am Kü­chen­tisch bei der In­ha­ber­fa­mi­lie zu Hau­se, und das war gut so.  Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ist mehr als nur die Fir­ma. Der Top-Ma­na­ger, der von au­ßer­halb kommt, hat im­mer auch die Auf­ga­be, sich auf das Tem­po ein­zu­stel­len, das die Fa­mi­lie be­reit ist zu ge­hen.

Dazu noch das: Der Ex­ter­ne hat im­mer eine wich­ti­ge Brü­cken­rol­le – er schützt das Un­ter­neh­men bei Be­darf vor der Fa­mi­lie und um­ge­kehrt. Erst das er­laubt Fo­kus. Un­ter­neh­men und Mar­ke sind nicht das Glei­che und doch hängt al­les zu­sam­men. Das ist manch­mal aus dem Blick­win­kel der Fa­mi­lie schwer zu ver­ste­hen, da hat es ein Ex­ter­ner ein­fa­cher.

Läderach Schokoladen-Boutique in Luzern
Schokoladen-Boutique, Luzern. Foto: Läderach AG

Nun wurden Sie ja auch geholt, weil Sie reichlich Erfahrung im Konsumgüter-Marketing erworben hatten. Dafür stand Ihre Karriere bei Nestlé.

Ja, mein Auf­trag lau­te­te: das Kon­su­men­ten­ge­schäft stär­ken, die Mar­ke „Lä­derach Cho­co­la­tier Su­is­se“ kre­ieren und mit Le­ben fül­len, für eine kla­re Po­si­tio­nie­rung im obe­ren Markt­seg­ment sor­gen. Das al­les ha­ben wir in mei­ner Wir­kungs­zeit ge­mein­sam gut hin­be­kom­men. Wir konn­ten das Ge­schäft kräf­tig aus­wei­ten, si­cher auch des­halb, weil ich rei­che fach­li­che Er­fah­rung auf die­sem Ge­biet ein­brin­gen konn­te, die ich wäh­rend mei­ner Zeit bei Nest­lé er­wor­ben hat­te.

Neue CEOs in Konzernen starten ja gern mit einem Big Bang. Wie sind Sie das angegangen?

Das Pro­blem mit neu­en CEOs ist, dass sie oft al­les neu er­fin­den wol­len. Im Fal­le ei­ner Sa­nie­rung mag das an­ge­zeigt sein, aber be­stimmt nicht in ei­nem gut lau­fen­den Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men. Die­ses hat sei­ne be­währ­te DNA, hier ist al­les schon da, das soll­te, nein: das muss man re­spek­tie­ren.

„Wer sich beim Schritt an die Spit­ze ei­nes Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens als Feld­herr oder Bes­ser­wis­ser auf­stellt, wird schei­tern.“

Hochmoderne Produktionsanlage der Läderach AG
State-of-the-art Produktionsstätte, Foto: Läderach AG

Also ist ein sanfter Übergang der Weg der Wahl?

Auf je­den Fall. Sanft, aber be­stimmt. Das dau­ert, und bei­de Sei­ten soll­ten sich die Zeit ge­ben. Man­cher Nach­fol­ger aus der Fa­mi­lie ist in und mit der Fir­ma auf­ge­wach­sen. Ich hin­ge­gen muss­te mir die Welt von Lä­derach erst ein­mal er­schlie­ßen und er­spü­ren. Mei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on als Chef hat­te ich nach ei­nem Jahr. Dann ha­ben die Mit­ar­bei­ter ge­merkt: Der bleibt, da ist ei­ner, dem wir ver­trau­en kön­nen, der es ernst nimmt mit dem wei­te­ren Aus­bau des Ge­schäfts. Bei­de Sei­ten, In­ha­ber wie ex­ter­ner CEO, soll­ten die­se lang­sa­me In­te­gra­ti­on und die Ei­gen­hei­ten der Per­so­nen aus­hal­ten. Dazu ge­hö­ren auch ge­le­gent­li­che Schmer­zen des Wan­dels. Nicht je­der, der in der Li­nie mit dem al­ten Chef ge­ar­bei­tet hat, ist mit dem neu­en Chef kom­pa­ti­bel. Die­ses The­ma sol­le man zu­las­sen und re­spekt­voll da­mit um­ge­hen – im Übri­gen ist so et­was ganz nor­mal, das ist kein Spe­zi­fi­kum des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens.

Also ist Toleranz eine wichtige Zutat für den Erfolg des Familienfremden an der Spitze?

Auf je­den Fall. Das heißt auch, mit der Po­la­ri­tät der Rol­le um­ge­hen zu kön­nen. Auf der ei­nen Sei­te bin ich als CEO ver­ant­wort­lich für das Ge­schäft. Auf der an­de­ren Sei­te bin ich nicht der Ei­gen­tü­mer. Ich bin also, um ein Bild aus der bäu­er­li­chen Welt zu ver­wen­den, Chef und Knecht gleich­zei­tig. Als fa­mi­li­en­frem­der CEO bist du im­mer dem Ei­gen­tü­mer ver­pflich­tet – und musst dir gleich­zei­tig selbst treu blei­ben.

„ Im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men hat Ei­gen­tum ein Ge­sicht!“

Aber im Konzern haben Sie sich ja auch dem Eigentümer verpflichtet …

… klar, aber ein Mul­ti ge­hört meist der Bör­se, das ist eine Viel­zahl von Ak­tio­nä­ren. Im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men hin­ge­gen hat Ei­gen­tum ein Ge­sicht. Ich ste­he ei­ner kon­kre­ten Per­son, ei­ner kon­kre­ten Fa­mi­lie ge­gen­über. Die ist in 30 Jah­ren im­mer noch da. Das speist das Den­ken in Ge­ne­ra­tio­nen – der er­folg­rei­chen Fa­mi­lie ist nicht nur wich­tig, dass es über das Jahr gut läuft, son­dern dass das Ge­schäft über De­ka­den be­stän­dig ist. Je­der Fir­men­chef, ganz gleich ob er aus der Fa­mi­lie kommt oder von ex­tern, soll­te das zum Leit­mo­tiv sei­nes Tuns zu ma­chen. Die Auf­ga­be lau­tet: treu­hän­de­ri­sche Ver­wal­tung und Ent­wick­lung des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens im Auf­trag der nächs­ten Ge­ne­ra­ti­on, die den La­den der­einst er­ben wird!

Im Frühjahr 2018 haben Sie ein bestelltes Haus an ihren Nachfolger Johannes Läderach übergeben. Neben dem „Mission complete“-Vermerk – wie lautet die persönliche Bilanz Ihres Wirkens an der Spitze der Läderach AG?

Für mich war das ein Down­si­zing im Be­ruf, aber per­sön­lich und be­ruf­lich ein Up­si­zing. Im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men fand ich über­schau­ba­re Struk­tu­ren und ein hu­ma­nes For­mat vor, das auf den Men­schen statt auf die Funk­ti­on ach­tet – und eine ech­te Un­ter­neh­mer­rol­le, die mich wun­der­bar aus­ge­füllt hat. Plötz­lich sprichst du per­sön­lich mit Kun­den, die seit Jahr­zehn­ten mit den Pro­duk­ten ver­traut sind, mit Mit­ar­bei­tern, für die Treue, Ex­per­ti­se und Freu­de am Ge­lin­gen mehr zäh­len als schnel­le Kar­rie­re und Job-Ro­ta­ti­on. Ich bli­cke auf zwölf gute und rei­che Jah­re zu­rück!

Das In­ter­view führ­te Axel Glo­ger für den IN­TES Un­ter­neh­mer­Brief 03/​2018.

RALPH SIEGL

Sei­ne ers­te Kar­rie­re ab­sol­vier­te Ralph P. Siegl beim Nah­rungs­mit­tel-Mul­ti Nest­lé, wo er von 1996 bis 2006 in lei­ten­den Funk­tio­nen welt­weit im Ex­port­ge­schäft tä­tig war. Im An­schluss dar­an führ­te er bis März 2018 als ers­ter ex­ter­ner CEO das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men Lä­derach. Schon wäh­rend die­ser Zeit über­nahm er Man­da­te als Ver­wal­tungs-rat. Heu­te ist er als Trusted Ad­vi­sor tä­tig.

Ralph Siegl

ÜBER DIE LÄ­DERACH AG

Die Con­fi­seur Lä­derach AG wur­de im Jahr 1962 in En­nen­da (Kan­ton Glarus, Ost­schweiz) von Ru­dolf Lä­derach ge­grün­det. Der Scho­ko­la­den- und Pra­liné-Spe­zia­list mit 800 Mit­ar­bei­tern und ge­schätz­ten 100 Mio. Euro Um­satz wird heu­te in drit­ter Ge­ne­ra­ti­on von Jo­han­nes Lä­derach ge­führt.

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