Onlinehandel: Wer zögert, verliert

On­line­han­del: Wer zö­gert, ver­liert An E-Commerce kommt heute kein Händler mehr vorbei. Voraussetzung für den Erfolg im digitalen Geschäft ist die Bereitschaft, sich schnell und radikal zu wandeln. Vielen Familienunternehmen fällt das schwer. von Ul­ri­ke Lüd­ke Ein ver­al­te­tes Ge­schäfts­mo­dell bleibt ver­al­tet, auch wenn man es di­gi­ta­li­siert“, sagt Mar­cus Diek­mann, Han­dels­ex­per­te und ei­ner von vier Ge­schäfts­füh­rern … Weiterlesen

On­line­han­del: Wer zö­gert, ver­liert

An E-Commerce kommt heute kein Händler mehr vorbei. Voraussetzung für den Erfolg im digitalen Geschäft ist die Bereitschaft, sich schnell und radikal zu wandeln. Vielen Familienunternehmen fällt das schwer.

von Ul­ri­ke Lüd­ke

Ein ver­al­te­tes Ge­schäfts­mo­dell bleibt ver­al­tet, auch wenn man es di­gi­ta­li­siert“, sagt Mar­cus Diek­mann, Han­dels­ex­per­te und ei­ner von vier Ge­schäfts­füh­rern des Om­nichan­nel-Fahr­rad­spe­zia­lis­ten Rose Bikes. Rose Bikes ist ein Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men aus dem nord­rhein-west­fä­li­schen Bo­cholt. Das Un­ter­neh­men ent­wi­ckelt und baut Fahr­rä­der, zu­dem ver­treibt es – on­line und sta­tio­när – Fahr­rad­t­ei­le, -be­klei­dung und -zu­be­hör un­ter der ei­ge­nen Mar­ke so­wie für 500 Fremd­mar­ken. 80 Pro­zent des Ge­samt­um­sat­zes 2019/​2020 in Höhe von rund 137 Mio. Euro wur­den im On­line­ge­schäft er­zielt. Un­ge­wöhn­lich für ei­nen mit­tel­stän­di­schen Händ­ler, der auf über 110 Jah­re Un­ter­neh­mens­ge­schich­te zu­rück­bli­cken kann.

Seit An­fang 2019 ist Diek­mann bei Rose Bikes. Ne­ben dem Se­ni­or Er­win Rose so­wie des­sen Toch­ter Ste­fa­nie Rose und de­ren Ehe­mann Thors­ten Heck­rath-Rose hält Diek­mann An­tei­le als Ge­sell­schaf­ter – eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für den 41-jäh­ri­gen, um mit den an­de­ren Ge­schäfts­füh­rern auf Au­gen­hö­he zu sein. Ge­mein­sam trei­ben die vier den Aus­bau des Fahr­rad­händ­lers zur di­gi­ta­len Han­dels­platt­form vor­an. Und das kann für Diek­mann gar nicht schnell ge­nug ge­hen: In­ner­halb ei­nes Jah­res wur­de der On­line­shop ra­di­kal um­ge­baut, das Sor­ti­ment um 40 Pro­zent ver­klei­nert und das Mar­ke­ting­bud­get um 50 Pro­zent er­höht. Zu­dem über­nahm Rose die Di­gi­ta­l­agen­tur Kom­merz mit 30 Mit­ar­bei­tern. Für sei­ne enge Ver­knüp­fung von On- und Off­line­ka­nä­len wur­de das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men in die­sem Jahr mit dem „In­ter­net World Busi­ness Shop“-Award aus­ge­zeich­net, zu­dem er­hielt es ge­ra­de den „Shop-Usa­bi­li­ty Award“ als „Bes­ter Mar­ken­shop“. Für das lau­fen­de Jahr er­war­tet Rose Bikes eine Um­satz­stei­ge­rung von über 34 Pro­zent, trotz der Schlie­ßung der Lä­den im Co­ro­na-Lock­down. Der Fahr­rad­händ­ler ge­hört da­mit zu den Un­ter­neh­men, die vom ste­tig wach­sen­den On­line­han­del pro­fi­tie­ren.

Der Ge­samt­um­satz der 1.000 um­satz­stärks­ten On­line­shop in Deutsch­land hat nach Be­rech­nun­gen des EHI Re­tail In­sti­tu­te und von Sta­tis­ta be­reits 2019 dank ei­nes zwei­stel­li­gen Um­satz­wachs­tums erst­mals die Mar­ke von 50 Mrd. Euro er­reicht.Da­bei ver­buch­ten die Top-10-On­line­shops zu­sam­men 40 Pro­zent des Ge­samt­um­sat­zes. Durch die Co­vid-19-Pan­de­mie dürf­ten die Er­lö­se aus dem On­line­han­dels­ge­schäft in die­sem Jahr noch ein­mal deut­lich ge­stie­gen sein. Gut für die Un­ter­neh­men, die recht­zei­tig das Po­ten­zi­al des Mul­ti- und Om­nichan­nel-Han­dels er­kannt ha­ben, und schlecht für die­je­ni­gen, die zu lan­ge ge­zö­gert oder die Di­gi­ta­li­sie­rung ih­rer Ver­triebs­ka­nä­le nur halb­her­zig vor­an­ge­trie­ben ha­ben.

Nicht kleckern, sondern klotzen

War­um sind ei­ni­ge Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men im Auf- und Aus­bau ih­res E-Com­mer­ce er­folg­reich und an­de­re kom­men ein­fach nicht vor­an? „Un­ter­neh­men müs­sen fle­xi­bel, agil und mu­tig agie­ren, um in den sich schnell ver­än­dern­den Märk­ten be­ste­hen zu kön­nen“, sagt Di­gi­tal-Ex­per­te Diek­mann. Das ste­he al­ler­dings im Wi­der­spruch zur Un­ter­neh­mens­kul­tur von Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men, die auf ihre Er­fah­rung set­zen und lang­fris­tig pla­nen wür­den. Das Be­stre­ben nach Ver­än­de­rung wer­de von der In­ha­ber­fa­mi­lie häu­fig als Kri­tik ver­stan­den. Dies füh­re aber dazu, „dass man so wei­ter­macht wie bis­her“, er­klärt Diek­mann. Bei der Fa­mi­lie Rose sei das an­ders. „Rose Bikes war schon im­mer ein trans­for­ma­ti­ons­freu­di­ges Un­ter­neh­men“, so Diek­mann. Wan­del wer­de hier als Not­wen­dig­keit ge­se­hen, um auch in der Zu­kunft er­folg­reich zu sein.

„Die Visionen sind abstrakt und es darf keine Angst vor dem Scheitern geben. Das ist eine völlig andere Unternehmenskultur.“

Lei­ter E-Com­mer­ce ei­nes Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens

„Um als E-Com­mer­ce-Play­er er­folg­reich zu sein, be­nö­ti­gen die Un­ter­neh­men smar­te di­gi­ta­le Ta­len­te mit dis­rup­ti­ven An­sät­zen und je­der Men­ge Neu­gier. Die Vi­sio­nen sind abs­trakt und es darf kei­ne Angst vor dem Schei­tern ge­ben. Das ist eine völ­lig an­de­re Un­ter­neh­mens­kul­tur“, be­stä­tigt ein an­de­rer Ken­ner der E-Com­mer­ce-Bran­che, der den On­line­han­del für ein gro­ßes Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men auf­ge­baut hat und lie­ber an­onym blei­ben möch­te. In sei­nem Fall ließ ihm die Fa­mi­lie freie Hand, so­lan­ge er sich nicht in die An­ge­le­gen­hei­ten des rest­li­chen Un­ter­neh­mens ein­misch­te. Das Er­geb­nis: Im Lau­fe der Zeit ist mit dem E-Com­mer­ce ein ei­ge­nes „Öko­sys­tem“ ent­stan­den, das ge­trennt vom Rest des Un­ter­neh­mens agiert. „Das ist nichts, was ich ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men zur Nach­ah­mung emp­feh­len wür­de“, sagt der E-Com­mer­ce-Ex­per­te.

Chefsache

Längst las­sen sich das On­line- und das Off­line­ge­schäft nicht mehr tren­nen. Kun­den möch­ten zwi­schen bei­den Ein­kaufs­wel­ten hin und her wech­seln und er­war­ten von ih­ren Händ­lern ein ent­spre­chen­des An­ge­bot. Das Om­nichan­nel-Ver­triebs­mo­dell ver­bin­det meh­re­re Ver­triebs- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le naht­los mit­ein­an­der und ver­spricht da­mit eine hö­he­re Reich­wei­te, Kun­den­bin­dung und Wett­be­werbs­vor­tei­le. Die Um­set­zung er­for­dert al­ler­dings ei­nen tief­grei­fen­den Wan­del der ge­sam­ten Un­ter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on – ein Ein­griff in die Au­to­no­mie des al­ten Kern­ge­schäfts, mit dem sich vie­le Un­ter­neh­mer schwer­tun.

Ste­phan Rop­pel ist seit vie­len Jah­ren im On­line­busi­ness tä­tig. Ne­ben Ama­zon zähl­ten die Holtz­brinck-Grup­pe, Hu­gen­du­bel und Tchi­bo zu sei­nen Ar­beit­ge­bern. Seit gut zwei Jah­ren ist er Ge­schäfts­füh­rer bei Baby-Walz, ei­nem An­bie­ter für Ba­by­ar­ti­kel, der sich seit 2015 im Be­sitz der Pri­va­te-Equi­ty-Ge­sell­schaft Al­te­ri In­ves­tors be­fin­det. Baby-Walz ist be­reits vor 20 Jah­ren in den E-Com­mer­ce ein­ge­stie­gen und er­wirt­schaf­tet heu­te zwei Drit­tel sei­nes Um­sat­zes mit On­line­kun­den. Nach ei­ner Re­struk­tu­rie­rungs­pha­se vor al­lem im sta­tio­nä­ren Han­del wächst das Un­ter­neh­men heu­te wie­der zwei­stel­lig und ist pro­fi­ta­bel. Trei­ber des Wachs­tums ist der E-Com­mer­ce.

„Fast alles muss kanalübergreifend vernetzt und konsistent gesteuert werden. Das geht nicht nebenbei.“

Stephan Roppel, Baby-Walz

Alte Strukturen überwinden

Die größ­te Her­aus­for­de­rung für Rop­pel ist der­zeit, Mar­ke­ting, Ein­kauf und Ver­trieb für den sta­tio­nä­ren Han­del und das On­line­ge­schäft in ein in­ein­an­der­grei­fen­des Sys­tem zu in­te­grie­ren. Da­bei ge­hö­ren heu­te so­zia­le Me­di­en und In­flu­en­cer eben­so zum Kon­zept wie die On­line-Ein­kaufs­be­ra­tung und Click & Collect. Fast al­les muss ka­nal­über­grei­fend ver­netzt und kon­sis­tent ge­steu­ert wer­den. Das geht nicht ne­ben­bei. „Das Ge­schäfts­mo­dell ei­nes Händ­lers muss heu­te kon­se­quent aus dem E-Com­mer­ce-An­satz her­aus ge­dacht und ent­wi­ckelt wer­den“, er­klärt Rop­pel. Das be­dür­fe al­ler­dings ei­nes ge­wis­sen Ma­ßes an Scho­nungs­lo­sig­keit im Den­ken und Han­deln. Alte Ver­triebs­struk­tu­ren und die da­mit ein­her­ge­hen­den Bud­get- und Pro­vi­si­ons­ver­tei­lungs­kon­flik­te müss­ten über­wun­den wer­den. Zu­dem be­nö­ti­ge ein Un­ter­neh­men die ent­spre­chen­de Kom­pe­tenz und Tech­nik. Im Fal­le von Baby-Walz hol­te sich der Fi­nanz­in­ves­tor mit Rop­pel das Know-how ins Haus, wei­te­re 40 Mit­ar­bei­ter küm­mern sich um die Wei­ter­ent­wick­lung des Web­shops, das Mar­ke­ting und die tech­ni­sche In­te­gra­ti­on der ver­schie­de­nen Ver­triebs­ka­nä­le. E-Com­mer­ce ist bei Baby-Walz Chef­sa­che.

Doch was ist, wenn es im Un­ter­neh­men Wi­der­stän­de ge­gen den Kul­tur- und Struk­tur­wan­del gibt? Dass Ver­än­de­rungs­pro­zes­se im Un­ter­neh­men z.T. auf Wi­der­stand un­ter den Mit­ar­bei­tern stie­ßen, sei nor­mal, sagt Rose-Ge­schäfts­füh­rer Diek­mann. Wich­tig sei, die Mit­ar­bei­ter zu mo­ti­vie­ren, zu coa­chen und zu er­klä­ren, war­um der Wan­del not­wen­dig sei. Die Füh­rung müs­se je­doch von An­fang an klar ma­chen, dass es kei­ne Al­ter­na­ti­ven gebe. „In ei­nem Chan­ge-Pro­zess gibt es kei­ne Kom­pro­mis­se“, sagt Diek­mann. „Jetzt ist die Zeit für den ra­di­ka­len Um­bruch.“

Der Text ist im IN­TES – Un­ter­neh­mer­Brief Aus­ga­be 02/​2020 erschienen.

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