Wie Geschwister zum erfolgreichen Team werden

Wenn Geschwister die Führung des Unternehmens gemeinsam meistern wollen, braucht es klare Regeln und einen ehrlichen Umgang miteinander. Von Nina Hei­nemann und Dr. Arno Leh­mann-Tolk­mitt* Wach­sen­de Kom­ple­xi­tät der Füh­rungs­auf­ga­ben und ein Wer­te­wan­del hin zu mehr Team­ori­en­tie­rung ha­ben dazu ge­führt, dass Teams in der Füh­rung von Un­ter­neh­men heu­te nichts Un­ge­wöhn­li­ches mehr sind. Be­steht das Füh­rungs­team je­doch aus Ge­schwis­tern, … Weiterlesen

Wenn Geschwister die Führung des Unternehmens gemeinsam meistern wollen, braucht es klare Regeln und einen ehrlichen Umgang miteinander.

Von Nina Hei­nemann und Dr. Arno Leh­mann-Tolk­mitt*

Wach­sen­de Kom­ple­xi­tät der Füh­rungs­auf­ga­ben und ein Wer­te­wan­del hin zu mehr Team­ori­en­tie­rung ha­ben dazu ge­führt, dass Teams in der Füh­rung von Un­ter­neh­men heu­te nichts Un­ge­wöhn­li­ches mehr sind. Be­steht das Füh­rungs­team je­doch aus Ge­schwis­tern, so er­ge­ben sich ganz be­son­de­re Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen aus die­ser Kon­stel­la­ti­on.

Bei er­folg­rei­chen Ge­schwis­ter­teams in der Füh­rung von Un­ter­neh­men bil­den meist die glei­chen Fak­to­ren eine Ba­sis für den Er­folg: Ver­trau­en, sich er­gän­zen­de Fä­hig­kei­ten, kla­re Rol­len und ge­mein­sa­me Zie­le. Die­ser Er­folg ist aber kein Selbst­läu­fer, son­dern das Er­geb­nis pas­sen­der Struk­tu­ren, gu­ter Re­geln und per­sön­li­cher Dis­zi­plin. Sehr viel häu­fi­ger schei­nen in der Pra­xis aber die Fäl­le, in de­nen es die Ge­schwis­ter all­täg­lich viel Kraft kos­tet, emp­fun­de­ne Leis­tungs­un­ter­schie­de aus­zu­glei­chen, Kon­flik­te nicht es­ka­lie­ren zu las­sen und sich mit ge­fühl­ter Un­ge­rech­tig­keit ab­zu­fin­den. Der Er­folg von Ge­schwis­tern in der Füh­rung ei­nes Un­ter­neh­mens hängt von meh­re­ren Fak­to­ren ab: Struk­tu­ren und Rol­len im Un­ter­neh­men müs­sen mit un­ter­schied­li­chen Fä­hig­kei­ten und der fa­mi­liä­ren Dy­na­mik in Ein­klang ge­bracht wer­den. Kon­flik­ten durch ent­täusch­te Er­war­tun­gen muss vor­ge­beugt wer­den und das be­ste­hen­de Sys­tem ei­nes Un­ter­neh­mens muss an die Füh­rung durch meh­re­re Ge­schwis­ter an­ge­passt wer­den. Die Ver­än­de­rung ba­siert auf zen­tra­len Fra­gen: Wie vie­le In­ha­ber ver­trägt das Un­ter­neh­men (An­teils­nach­fol­ge) und wie vie­le Ge­schäfts­füh­rer sind nö­tig (Füh­rungs­nach­fol­ge)? Wer möch­te die Füh­rung über­neh­men und ist dazu fä­hig? Und wie funk­tio­niert eine ge­mein­sa­me Nach­fol­ge?

ROL­LEN UND STRUK­TU­REN

El­tern möch­ten ihre Kin­der gleich be­han­deln. Ha­ben Un­ter­neh­mer meh­re­re Kin­der, führt dies häu­fig dazu, dass An­tei­le und Füh­rungs­rol­le zu glei­chen Tei­len wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Da­bei soll­te die Wei­ter­ga­be der An­tei­le im­mer ge­trennt von der Nach­fol­ge ge­dacht wer­den und für die­sen Pro­zess soll­ten pro­fes­sio­nel­le An­for­de­run­gen und Re­geln de­fi­niert wer­den. Wer­den die­se er­füllt, kann die Nach­fol­ge von al­len als (leis­tungs)ge­recht emp­fun­den wer­den. Grund­sätz­lich sind für die Füh­rung ei­nes Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens durch Ge­schwis­ter zwei al­ter­na­ti­ve Mo­del­le mög­lich: Zwei oder meh­re­re Ge­schwis­ter sind ent­we­der gleich­be­rech­tigt in ei­nem Füh­rungs­team oder ei­ner hat eine über­ge­ord­ne­te Rol­le, z. B. als Vor­sit­zen­der der Ge­schäfts­füh­rung. Tat­säch­lich sind bei­de Va­ri­an­ten mög­lich – un­ter der maß­geb­li­chen Be­din­gung, dass sie dau­er­haft zu Leis­tung und Be­zie­hung der Ge­schwis­ter pas­sen. War ei­ner im­mer als Leis­tungs­trä­ger füh­rend, ist der »ei­gent­li­che« Un­ter­neh­mer und wird von den Ge­schwis­tern auch fa­mi­li­är in die­ser Rol­le ak­zep­tiert, so kann so­gar eine asym­me­tri­sche Lö­sung in der Füh­rung sta­bi­ler sein, als Un­glei­ches gleich zu ma­chen – was auf Dau­er zur Zer­reiß­pro­be für Un­ter­neh­men und Fa­mi­li­en wer­den kann. Ge­nau­so pro­ble­ma­tisch ist aber eine emp­fun­de­ne Un­ge­rech­tig­keit und die dar­aus ent­ste­hen­de dau­er­haf­te Ri­va­li­tät, wenn die Do­mi­nanz ei­nes Kin­des den Leis­tun­gen und der er­war­te­ten Gleich­be­hand­lung wi­der­spricht.

Schaut man auf Ge­schwis­ter­kon­stel­la­tio­nen, so kann nicht per se ge­sagt wer­den, wel­che da­von im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men er­folg­rei­cher sein kön­nen: gleich­ge­schlecht­li­che oder Bru­der-Schwes­ter-Teams, gro­ßer oder mög­lichst ge­rin­ger Al­ters­un­ter­schied. Die Ge­schwis­ter­for­schung be­sagt, dass die Be­zie­hun­gen zwi­schen Ge­schwis­tern am in­ten­sivs­ten sind, je ge­rin­ger der Al­ters­un­ter­schied zwi­schen Ge­schwis­tern ist und bei glei­chem Ge­schlecht. Dies gilt aber im Po­si­ti­ven wie im Ne­ga­ti­ven. Ent­schei­dend für den Er­folg sind die rich­ti­ge Pas­sung von Kom­pe­ten­zen und Per­sön­lich­kei­ten, Rol­len und Re­geln. Dar­über hin­aus braucht es die Fä­hig­keit zur in­ten­si­ven Re­fle­xi­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on, um Miss­ver­ständ­nis­se und Kon­flik­te über­win­den und sich ge­mein­sam wei­ter­ent­wi­ckeln zu kön­nen.

Gleich­be­rech­tig­te Ge­schwis­ter­teams sind dann er­folg­reich, wenn sich die Fä­hig­kei­ten der Ge­schwis­ter gut er­gän­zen und die­se Fä­hig­kei­ten für das Ge­schäfts­mo­dell glei­cher­ma­ßen von Be­deu­tung sind.

Per­sön­li­che und fach­li­che Kom­pe­ten­zen, die in­ne­re Hal­tung und die Be­dürf­nis­se des Un­ter­neh­mens müs­sen har­mo­nisch zu­sam­men­kom­men. Dar­über hin­aus be­nö­ti­gen Ge­schwis­ter ge­mein­sa­me Wer­te und Zie­le, sie müs­sen ein­an­der ver­trau­en, sich ge­gen­sei­tig wert­schät­zen und brau­chen kla­re (Ent­schei­dungs-) Re­geln, die Dis­zi­plin, sich dar­an zu hal­ten, und eine gute Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Streit­kul­tur. Ge­schwis­ter müs­sen ech­te Team­play­er sein – ein Rol­len­bild, das ih­nen häu­fig nicht vor­ge­lebt wur­de, da das Un­ter­neh­men in der vor­her­ge­hen­den Ge­ne­ra­ti­on meist von ei­nem Pa­tri­ar­chen ge­prägt war.

Idea­ler­wei­se sind schon vor der Ent­schei­dung über die Füh­rung des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens trans­pa­ren­te Re­geln für die Eig­nung und ob­jek­ti­ve Ent­schei­dungs­pro­zes­se in­stal­liert. Ist dies nicht der Fall, ent­ste­hen leicht Kon­flik­te, die häu­fig al­ler­dings erst dann zu­ta­ge tre­ten, wenn die el­ter­li­che Klam­mer weg­fällt und sich auf­ge­stau­te Er­leb­nis­se und Emo­tio­nen ent­la­den. In die­sem Mo­ment ver­wirk­li­chen sich alle Ge­fah­ren der ge­schwis­ter­li­chen Kon­stel­la­ti­on.

Selbst eine er­folg­rei­che Dop­pel­spit­ze er­fährt ih­ren letz­ten Lack­mus­test bei der Über­tra­gung auf die nächs­te Ge­ne­ra­ti­on. Die Vier­eck-Kon­stel­la­ti­on zwi­schen  Ge­schwis­tern und de­ren je­wei­li­gen Kin­dern er­höht noch ein­mal die Kom­ple­xi­tät. Im Zwei­fel wün­schen sich El­tern die Nach­fol­ge durch ihr ei­ge­nes Kind, dem sie deut­lich nä­her ste­hen als der Nich­te oder dem Nef­fen. Hier zeigt sich, ob es den Ge­schwis­tern ge­lun­gen ist, ein Sys­tem an­zu­le­gen, das auch für ihre Kin­der funk­ti­ons­fä­hig ist.
Es ist für Ge­schwis­ter von klein auf nor­mal, sich zu ver­glei­chen und sich zu mes­sen. Aus spie­le­ri­schem Wett­be­werb kann aber bei grö­ße­ren Un­ter­schie­den oder dem Ge­fühl der Be­nach­tei­li­gung auf Dau­er Neid und Ri­va­li­tät ent­ste­hen. Die­se und an­de­re Ge­schwis­ter­dy­na­mi­ken gibt es in al­len Fa­mi­li­en, sie sind aber in  Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en ty­pi­scher­wei­se be­son­ders in­ten­siv. Durch eine ge­mein­sa­me Nach­fol­ge kön­nen sol­che Span­nun­gen oder Kon­flik­te in das Un­ter­neh­men über­tra­gen und wei­ter ver­fes­tigt wer­den. Durch die – auch wirt­schaft­lich – enge Ver­bin­dung wer­den die Aus­wir­kun­gen der Kon­flik­te schnell all­um­fas­send und exis­ten­zi­ell – für die be­trof­fe­nen Fa­mi­li­en­mit­glie­der, das ge­sam­te Un­ter­neh­men und sei­ne Mit­ar­bei­ter.

STRA­TE­GI­EN FÜR GE­SCHWIS­TER

Ge­schwis­ter soll­ten sich die Zeit neh­men, um Kon­flik­te im Schnitt­punkt von Fa­mi­lie und Un­ter­neh­men zu lö­sen. In der Re­gel ken­nen sie ein­an­der so gut, dass sie auf per­sön­li­cher Ebe­ne sehr ge­nau be­ur­tei­len kön­nen, wel­che The­men sie mit­ein­an­der be­han­deln kön­nen, ohne sich zu strei­ten. Dies ist aber kein hilf­rei­cher Weg­wei­ser in der ge­mein­sa­men Füh­rung und In­ha­ber­schaft ei­nes Un­ter­neh­mens. Hier braucht es häu­fig ei­nen neu­tra­len Drit­ten, der hilft, Ge­schwis­ter mit­ein­an­der ins Ge­spräch zu brin­gen und »Spreng­stoffthe­men« im Gu­ten zu be­ar­bei­ten. Mit den Dy­na­mi­ken von Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ver­trau­te Be­ra­ter und Me­dia­to­ren kön­nen hier her­vor­ra­gen­de Be­glei­ter sein, aber auch der Bei­rats­vor­sit­zen­de kann als Ver­trau­ens­per­son al­ler Be­tei­lig­ten da­bei hel­fen, ei­nen gu­ten Um­gang zu fin­den. Denn auch, wenn die Her­aus­for­de­run­gen und die sich dar­aus er­ge­ben­den Fra­gen für alle Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en in ei­ner be­stimm­ten Struk­tur die glei­chen sein mö­gen, Ant­wor­ten »von der Stan­ge« oder ein­sa­me Ent­schei­dun­gen funk­tio­nie­ren in Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men nicht (mehr). Es gilt, eine in­di­vi­du­el­le Lö­sung ge­mein­sam zu er­ar­bei­ten. Und ge­ra­de bei Ge­schwis­ter­kon­stel­la­tio­nen ist da­bei häu­fig der Weg das Ziel.

Aber wel­che Fra­gen soll­ten Ge­schwis­ter klä­ren? Die am bes­ten funk­tio­nie­ren­de Kon­stel­la­ti­on kann ein Maß­stab sein: Ge­schwis­ter, die mit­ein­an­der ein Un­ter­neh­men ge­grün­det ha­ben. Sie tun dies sehr be­wusst und aus frei­en Stü­cken. Sie ar­bei­ten auf der Grund­la­ge über­ein­stim­men­der Wer­te und ha­ben ein kla­res ge­mein­sa­mes Ziel: das Er­rei­chen ei­ner ge­mein­sa­men un­ter­neh­me­ri­schen Vi­si­on. Die Ge­mein­sam­keit wird zum Er­folgs­fak­tor, da jede Hand­lung des an­de­ren auch im ei­ge­nen In­ter­es­se ist. Sie de­fi­nie­ren kla­re Rol­len, denn die Auf­ga­ben wer­den ent­spre­chend den Fä­hig­kei­ten und ei­ge­nen Vor­lie­ben ver­teilt. Ge­schwis­ter in der Füh­rung soll­ten an die­ser Ge­mein­sam­keit ar­bei­ten.

KON­TROLL­FRA­GEN:

  1. Würden wir auch gemeinsam ein Unternehmen gründen?
  2. Haben wir gemeinsame Werte und Ziele?
  3. Was ist unsere unternehmerische Vision, welche sind unsere konkreten Ziele?
  4. Haben wir ähnliche Einstellungen zu Arbeit und Verantwortung?
  5. Schätzen wir uns gleichwertig?
  6. Ist einem von uns wichtig, Macht und Dominanz zu haben?
  7. Ergänzen sich unsere Fähigkeiten? Haben wir darauf basierend klare Rollen?
  8. Was machen wir, wenn wir uns nicht einig sind?
  9. Sind wir in der Lage, persönliche Interessen dem Unternehmen unter- zuordnen?
  10. Haben wir professionelle Strukturen im Unternehmen etabliert? Mit klaren Regeln zur Entscheidungsfindung und Konfliktlösung?
  11. Haben wir die gleiche Vorstellung von der Fortführung durch die nächste Generation?

*Nina Hei­nemann und Dr. Arno Leh­mann-Tolk­mitt sind Netz­werk­part­ner der IN­TES Aka­de­mie für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men.

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